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Im Westen was Neues

SPD und Grüne wollen mit der PDS über einen PDS-Bürgermeister für Kreuzberg-Friedrichshain verhandeln. Die PDS könnte erstmals in einem Westbezirk regieren. Signalwirkung für die Wahl 2004

von DOROTHEE WINDEN

Die SPD Kreuzberg-Friedrichshain will mit der PDS und den Grünen über die Wahl eines PDS-Bürgermeisters verhandeln. Das Votum für die sofortige Aufnahme von Dreierverhandlungen fällte der SPD-Kreisvorstand am Mittwochabend einstimmig, erklärte gestern Kreischef Stefan Zackenfels. Bereits am Dienstag hatte sich eine Mitgliedervollversammlung der Kreuzberger und Friedrichshainer Grünen für eine Aufnahme von Gesprächen mit SPD und PDS ausgesprochen.

Falls sich die drei Parteien einigen können, würde erstmals ein Ost-West-Bezirk von einem PDS-Bürgermeister regiert. Für die Wahl des Abgeordnetenhauses 2004 könnte von einem modellhaften rot-rot-grünen Bündnisses auf Bezirksebene eine Signalwirkung ausgehen.

So wertete CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt die Verhandlungen gestern als „gefährlichen Vorboten“ und „Versuchsballon“ für die Wahl 2004. „Nun vollzieht die SPD in der Hauptstadt den Tabubruch“, so Schmitt. Die Kreuzberger CDU reagierte „mit Entsetzen“ auf die Bereitschaft der SPD, einen „kommunistischen Bürgermeister“ zu wählen. Die SPD werde „zum Wegbereiter des kommunistischen Einflusses in unserem Bezirk und unserer Stadt“, hieß es.

Die verbalen Muskelspiele der CDU können indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr die Felle davonschwimmen. Die SPD hat längst erkannt, dass eine Strategie der Ausgrenzung gegenüber der PDS nichts bringt. Seit einigen Monaten behandelt sie die PDS als normale politische Konkurrentin und sucht die Auseinandersetzung. SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit hatte Anfang Juli auf Einladung der Kreuzberger Genossen mit PDS-Star Gregor Gysi diskutiert. Mit SPD-Chef Strieder wird an diesem Sonntag ein weiterer Spitzengenosse den Dialog mit der PDS suchen: Bei der PDS-Veranstaltung „Der rote Bock“ wird Strieder auf die designierte PDS-Chefin Gabi Zimmer treffen.

Die SPD lässt ihren Kreisverbänden bei der Bildung der Bezirksämter freie Hand. „Alle Modelle sind denkbar“, sagte Strieder gestern. Dies habe sich auch im Bezirk Mitte gezeigt, wo CDU und Grüne gemeinsame einen CDU-Bürgermeister wählen wollen. Bündnisse in Bezirken hätten keine Auswirkung auf die Landesebene, so Strieder.

Einigen Kreuzberger und vor allem Friedrichshainer GenossInnen ist die Entscheidung für Verhandlungen mit der PDS allerdings nicht leicht gefallen. Die stellvertretende Kreisvorsitzende Dorit Lorenz erklärte gestern, vor fünf Jahren sei dies für sie noch nicht vorstellbar gewesen. Sie habe sich dazu erst „nach ziemlichem Nachdenken“ entschlossen.

Doch auch sie will lieber einen PDS-Kandidaten wählen als den grünen Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz. Die SPD wirft ihm vor, mehrmals BVV-Beschlüsse nicht umgesetzt zu haben.

Als PDS-Kandidat ist Dieter Hildebrand im Gespräch. Der 44-Jährige ist seit zehn Jahren Stadtrat im Bezirk Friedrichshain und war früher einige Zeit Parteisekretär der SED. In der SPD gilt er als „solide“ und als „Pragmatiker“.

Dass es aber nicht nur um die Wahl eines PDS-Bürgermeisters geht, machte Peter Beckers, der Pressesprecher der SPD-Fraktion in der BVV Kreuzberg, deutlich: In den Verhandlungen wolle man ausloten, was gemeinsam getragen werden kann und ob es einen Grundstein für die weitere Zusammenarbeit gebe.

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