piwik no script img

Ein Asylantrag für die ganze Familie

Niedersachsen will das Asylverfahren für Familien beschleunigen. Gesetzentwurf verbindet „Missbrauchsbekämpfung“mit Erleichterungen für Flüchtlinge. Andere Bundesländer haben bereits Zustimmung zu dem Vorhaben signalisiert

von CHRISTIAN RATH

Flüchtlingsfamilien sollen schneller abgeschoben werden können, wenn weder Anspruch auf Asyl noch auf Abschiebeschutz besteht. Dies ist das Ziel eines Gesetzentwurfes, den das Land Niedersachsen jetzt im Bundesrat eingebracht hat. Zugleich wird aber auch der Status von Flüchtlingsfamilien verbessert, wenn ein Familienmitglied Abschiebeschutz erhalten hat.

In der öffentlichen Diskussion betont die niedersächsische Landesregierung bisher ganz den Aspekt der „Missbrauchsbekämpfung“. Sie reagierte dabei auf eine „Gestaltungsmöglichkeit“, die von Flüchtlingsfamilien immer wieder genutzt wurde, um das Asylverfahren in die Länge zu ziehen.

Sobald die Eltern abgelehnt waren, wurden peu à peu auch Anträge für die Kinder gestellt. Solche Anträge sind dann zwar erst recht aussichtslos, führten jedoch dazu, dass zumindest ein Elternteil zur Betreuung des Kindes in Deutschland bleiben konnte.

„Oft unterbleibt sogar die Abschiebung der übrigen Familienmitglieder, wenn es öffentlichen Protest gegen das Auseinanderreißen von Familien gibt“, klagt ein niedersächsischer Ministerialbeamter. Bei größeren Familien komme es so „zu Aufenthaltszeiten von sieben bis zehn Jahren“, wobei am Ende des Verfahrens eine Abschiebung wegen der dann erfolgten Integration der Kinder immer noch schwierig sei.

Dem will Niedersachsen jetzt einen Riegel vorschieben. Wenn ein Elternteil einen Asylantrag stellt, sollen damit automatisch auch Anträge für die Kinder verbunden sein. Über das Schicksal der Familie würde dann in nur einem Verfahrensgang entschieden. Das „von Amts wegen“ eingeleitete Asylverfahren könnte nur durch eine Erklärung der Eltern, dass dem Kind „keine politische Verfolgung“ drohe, verhindert werden. Nach der rechtskräftigen Ablehnung der Eltern könnte sofort die ganze Familie abgeschoben werden.

Im Bundesrat soll Ende des Monats über den niedersächsischen Vorschlag beraten werden. Auf Beamtenebene haben die anderen Länder bereits ihre Zustimmung signalisiert. Entscheidend ist aber, ob das Vorhaben eine Mehrheit im Bundestag erhält. Vor allem die Grünen, die im Asylbereich bisher noch kaum etwas erreicht haben, können einer bloßen Verschärfung wohl nicht zustimmen. Niedersachsen hat deshalb versucht, seinen Gesetzentwurf „ausgewogen“ zu gestalten.

So sieht der zweite Teil der Initiative eine ausdrücklich flüchtlingsfreundliche Regelung vor. Wenn ein Familienmitglied Abschiebeschutz nach Paragraph 51 des Ausländerrechts erhalten hat, sollen dessen „engen Angehörigen“ einen „Familienabschiebeschutz“ erhalten.

Bisher gab es eine solche Konstruktion nur im Asylrecht, das jedoch wegen der Drittstaatenregelung kaum noch Anwendung findet. An seine Stelle ist, wenn der Reiseweg verschleiert wird und politische Verfolgung nachweisbar ist, der ausländerrechtliche Abschiebeschutz getreten.

Rund 6.000 Flüchtlinge erhielten 1999 dieses so genannte „kleine Asyl“. Wie viele Familienangehörige von der neuen Regelung profitieren würden, kann aber weder die Landesregierung in Hannover noch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf sagen.

Die deutsche Vertretung des UN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) freut sich über diesen zweiten Teil des Hannoveraner Gesetzentwurfs. „Hier wird ein Problem angegangen, das uns auf der Seele brennt.“ Bisher ist in derartigen Fällen ein Bleibe- oder Nachzugsrecht für Familienangehörige nur unter komplizierten Bedingungen zu erhalten.

In Hannover wird die Erleichterung vor allem damit begründet, dass ein sicherer Status für die ganze Familie die Flüchtlinge „stabilisiere“ und ihre Integration erleichtere. „Wenn Flüchtlinge motiviert sind, sich eine Existenz in Deutschland aufzubauen“, erklärt der zuständige Ministerialbeamte, „sparen wir auch viel Sozialhilfe.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen