Der Mullah von Bullerbü

von WIGLAF DROSTE und GERHARD HENSCHEL

Was bisher geschah: Kommissarin Gisela Güzel ermittelt. Die Spur führt nach Kandahar . . .

Afghanistan war ein gastfreies Land: Es gab keine Gäste und keine Hotels. Der Mullah war sich selbst genug.

Gisela Güzel hatte sich talibanisch verkleidet und schritt durch ein Spalier von Marterpfählen, an denen man alles gekreuzigt hatte, was Menschen Spaß machte: Seidenstrümpfe, Plattenspieler, Micky Maus-Hefte, Autogramme von Harald Norpoth und Helmut Haller, Starschnitte von T. Rex und Festus, Liebesbriefe, Champagner und Käpt’n Nuss. Kopulierende Heuschrecken wurden von fliegenden Sittenwächtern ambulant kastriert. Es lag nicht die geringste Musik in der Luft.

In der Dämmerung sah Gisela Güzel einen runden Mann auf einem Rennrad durch die Gassen hummeln. Er trug kurze Hosen und entpuppte sich als wilder Plakatierer. „Muschi entlaufen“, stand auf den Zetteln, die er an die Grottenwände klebte. „Sie hat ein weiches Fell und ganz kleine Ohren. Hohe Belohnung. Horst Tomayer, postlagernd Hamburg.“ Darunter war eine schöne Möse abgebildet. Mit heißen Reifen kurvte der Mann durch Kandahar, verfolgt von Taliban, die schlecht zu Fuß waren. Um nicht aus der Übung zu kommen, hatten sie sich gegenseitig die Mauken bastoniert.

Der Mann, den sie jagten, war das meistgesuchte Filou im Hindukusch, und Gisela Güzel schloss ihn sofort in ihr Herz. Sie hätte gerne eine Sinalco auf sein Wohl getrunken, doch in ganz Kandahar gab es nur Moscheen, Waffengeschäfte und Folterkeller. Nach langer Suche entdeckte sie eine Imbissbude. „Bei Mampf-Fred“ stand in Araberkrakeln obendrüber. Feilgehalten wurden frittierte Blindschleichen, Spinnenratatouille und Krokodilpisse. Gisela Güzel verzichtete dankend und irrte weiter.

Schließlich stiefelte sie die Stufen zu einem Hamam hinunter, einem Badehaus, wo sie um ein Glas Leitungswasser bitten wollte. Der Mann, der ihr die Tür öffnete, kam ihr seltsam vertraut vor. Es war der Wäsche-Fritz. Obwohl er sich als Bademeister verkleidet hatte, erkannte sie ihn auf Anhieb.

„Sprechen Sie Deutsch? Ich bin ein Talib aus Völklingen“, murmelte die Kommissarin in ihren Karnevalsbart.

„Was sehen meine entzündeten Augen? Ein Landsmann! Sicher zahlungskräftig!“ Bernd Fritz komplimentierte sie herein und tischte ihr Tee und Lügen auf. „Ich bin ein weit gereister Mann und habe es nicht immer leicht gehabt im Leben. Früher habe ich mal Sofas aus Latex mit fingerlangen Noppen verkauft und war selbst mein bester Kunde. Am besten lief die Milchtütenverschließklammer. Das war eine Gummikappe in Eutergestalt. Zuletzt hatte ich leider einige kleinere Differenzen mit Geschäftspartnern in Kabul.“ Er deutete auf seine wackeligen Zähne. „Doch jetzt habe ich mir eine neue Existenz aufgebaut. Als Masör.“

„Das ist ja hochinteressant“, sagte Gisela Güzel, gähnte und ließ den Kleinkriminellen weitersabbeln.

„Da vorne ist der göbek tasi, der Nabelstein“, sagte Bernd Fritz. „Wenn Sie sich auf den warmen Marmor legen, werde ich das pestamal über die einzige Stelle Ihres Leibes breiten, die ich nicht waschen und massieren werde. Ich bin ein alter Fuchs in der Wellnessbranche. Sie werden sich wundern, wenn ich mit enormer Lungenkraft den köpük torbasi aufblasen werde, jenen spektakulären Leinensack, den ich hernach über Ihrem erwartungsfrohen Körper auswringen werde. Alsdann, Dottore! Machen Sie sich frei. Gegen Vorkasse mache ich alles. Auch den Imam vom Hamam.“ Er zeigte ein Lächeln aus Griebenschmalz.

Klickend schlossen sich die Handschellen um seine Knochen. „Sie sind verhaftet“, sagte Gisela Güzel. „Ich werde Ihnen jetzt Ihre Rechte vorlesen. Oder Ihre Unrechte, wie man hier in Kandahar sagt.“

Was weiter geschieht, kann ab der kommenden Woche nachgelesen werden bei Wiglaf Droste und Gerhard Henschel: „Der Mullah von Bullerbü“. Edition Nautilus, Hamburg 2000