Vier europäische Jolo-Geiseln frei

Mit Warc Wallert lassen die philippinischen Abu-Sayyaf-Rebellen die letzte deutsche Geisel frei. Streit unter den Kidnappern um Lösegeld fordert Tote und Verletzte und verhindert offenbar die vorgesehene Freilassung von zwei französischen Journalisten

von JUTTA LIETSCH

Mit großer Erleichterung haben vier europäische Geiseln am Samstag die südphilippinische Insel Jolo verlassen. 139 Tage Angst und Gefangenschaft in der Hand der Kidnappertruppe Abu Sayyaf waren vorbei. Unter den Freigelassenen war neben zwei Finnen und einem Franzosen auch der 27-jährige Göttinger Marc Wallert. Seite Eltern waren schon im Juli und August freigelassen worden.

Anders als erhofft blieben zwei französische Journalisten und ein philippinischer Tauchlehrer gefangen. Auch der US-Amerikaner Jeffrey Schilling, zwölf einheimische Evangelisten und drei Frauen sind noch in der Gewalt der Entführer. Offen ist, ob Libyen auch für die Journalisten bezahlen will. Die US-Regierung lehnt im Fall Schilling Verhandlungen über Lösegeld ab.

„Es ist unglaublich, es ist wie im Film, ich kann es kaum fassen“, sagte Wallert. Sein Vater in Göttingen erklärte: „Das ist der glücklichste Tag meines Lebens.“ Die Freigelassenen sollten gestern nach Tripolis fliegen, da Libyen offenkundig wieder Lösegeld bezahlt hat. Nach einer Zeremonie mit libyschen Offiziellen werden sie dann von Diplomaten ihrer Heimatländer nach Hause begleitet. Ob Außenminister Joschka Fischer Marc Wallert persönlich abholen wird, war gestern noch offen. Kanzler Gerhard Schröder äußerte sich erleichtert und dankte Libyen für seine Bemühungen: „Es war richtig, dass die deutsche Regierung auf einer friedlichen Lösung beharrte. Unsere Geduld wurde belohnt.“

Unklar ist, wie viel Lösegeld für die insgesamt 21 am Ostersonntag von der malaysischen Taucherinsel Sipadan verschleppten Touristen und Angestellten bezahlt wurde. Im Gespräch sind insgesamt 25 Millionen US-Dollar. Fest steht, dass die Abu-Sayyaf-Rebellen seitdem neue Waffen gekauft haben.

Die Freilassung der vier Europäer wäre fast gescheitert: Als die zwei Unterhändler am Samstag auf dem Weg zu den Geiseln waren, gerieten sie in einen Hinterhalt. Drei Bewacher kamen ums Leben, fünf wurden verwundet. 20 Dorfbewohner gerieten ins Kreuzfeuer und wurden ebenfalls verletzt. Hinter dem Angriff steckte offenbar eine Splittergruppe der Abu Sayyaf, die das Lösegeld erbeuten wollte. „Wir hörten die Schüsse, plötzlich mussten wir in einen Wagen springen und fliehen“, berichtete der Franzose Stephane Loisy. Wie unberechenbar die Situation in der Nähe des Geisellagers 15 Kilometer außerhalb der Stadt Jolo geworden ist, zeigte sich daran, dass sogar der Chef der Kidnapper Ghalib Andang alias „Commander Robot“ attackiert wurde.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die beiden französischen Journalisten am Sonnabend von einer konkurrierenden Rebellengruppe „gestohlen“ wurden, weil sich die Kidnapper über die Beute streiten. Dass die beiden Journalisten nicht – wie von Chefunterhänder Robert Aventajado angekündigt – mit den anderen freikamen, liegt am Zwist unter den Entführern. Einige wollen die Franzosen als lebendigen Schutzschild gegen befürchtete Militärangriffe behalten.

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