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Abgezogen ist gleich ausgeraubt

Innen- und Schulbehörde starten gemeinsam mit der Polizei Kampagne gegen Handyraub. Das Registrieren der Nummer soll gegen Diebstahl helfen  ■ Von Timm Christmann

Früher waren es teure Markenklamotten, heute sind Handys die begehrteste Beute, wenn Jugendliche einander „abziehen“. So nennt sich ein Vorgang an Hamburgs Schulen unter Kids, den die Innebehörde und Polizei als „fast schon alltäglich“ bezeichnen. Abziehen – das klingt lockerer und lässiger, als es ist: Stärkere Jugendliche fordern Mitschüler auf, ihre Jacke, Geld oder eben vor allem ihr Handy herauszurücken, drohen mit Gewalt, schüchtern sie ein. Ein „verharmlosender Ausdruck“ für das, was sich dahinter verberge, meinen auch Innensenator Hartmuth Wrocklage und Schulsenatorin Ute Pape (beide SPD): „Abziehen ist kein Kavaliersdelikt, sondern knallharter Raub.“ Um dagegen etwas zu unternehmen, starten Schulbehörde und Polizei gemeinsam eine neue Kampagne gegen Handyraub unter Jugendlichen. Gestern stellten Wrocklage und Pape gemeinsam mit Polizeipräsident Justus Woydt die Aktion unter dem Titel „Ich bin registriert“ in der Schule Griesstraße in Eilbek vor.

Mit dem Polizeibesuch in Schulklassen, Filmtagen zum Thema Jugendgewalt in Hamburger Kinos sowie Tausenden von Plakaten, Flyern und Aufklebern wollen die Initiatoren erreichen, dass mehr Jugendliche ihr Handy registrieren, indem sie sich ihre Gerätenummer notieren. „Nur über diese Nummer können Handys einwandfrei als gestohlen identifiziert werden,“ erklärt Woydt die Bedeutung der Nummer. Die meisten Kinder und Jugendlichen kaufen ihr Handy jedoch nicht im Geschäft, sondern meist gebraucht, so dass ihnen die Verpackung fehlt, auf der die Nummer aufgedruckt ist. Wie sie die dennoch in Erfahrung bringen können, darüber klärt sie der Flyer auf. Und ein registriertes Handy, so hoffen Polizei und Lehrer, verliere als Raubgut an Attraktivität.

Es ist nicht eine plötzlich erwachte Liebe zum Handygebrauch in der Schule, die diesen Einsatz der Schulbehörde für die Aktion erklärt. Es sind die nackten Zahlen der Kriminalstatistik. Im Jahr 1999 gab es 14 Prozent mehr Fälle von Straßenraub, bei denen unter 21-Jährige verdächtigt wurden, als im Vorjahr. Dagegen wurden insgesamt vier Pozent weniger Straßenraubfälle festgestellt. Daher wollen sich Pape, Wrocklage und Co. den Statussymbolcharakter des Mobiltelefons zunutze machen: „Das Handy soll ein Aufhänger sein, um Gewalt unter Jugendlichen allgemein in den Schulklassen zum Thema zu machen,“ sagt die Schulsenatorin.

Ob die Aktion neben der Thematisierung von Gewalt noch weitere Folgen haben wird, ist allerdings ein bisschen fraglich. Denn das „Abziehen“ besteht meist nicht nur im Abnehmen von Wertgegenständen. Dazu gehört auch die Androhung von Gewalt, falls das Opfer die Tat verrät – was es meist nicht wagt. Doch durch die Registrierung bestehe erstmals die Möglichkeit, dass der Beraubte sein Handy tatsächlich zurückbekomme, so Woydt. Zumindest er und Wrocklage sind davon überzeugt, das allein helfe schon, „Angststrukturen aufzubrechen“.

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