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Schönbohm kontert Thierse

Brandenburgs Regierung reagiert empört auf die schweren Vorwürfe von Bundestagspräsident Thierse wegen der Behandlung des algerischen Flüchtlings Khaled Bensaha. Innenminister Schönbohm beteuert, nach „Recht und Gesetz“ gehandelt zu haben

von LUKAS WALLRAFF

Gut eineinhalb Jahre nach der Hetzjagd von Guben, bei der ein algerischer Asylbewerber ums Leben kam, sorgt der Fall jetzt für einen politischen Streit auf höchster Ebene. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) reagierte gestern mit Empörung auf einen Brief von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), der darin die ausländerrechtliche Behandlung eines der Opfer von Guben durch das Brandenburger Innenministerium kritisiert hatte.

Es sei ein „beispielloser Vorgang“, erklärte Schönbohm gestern, „dass der Bundestagspräsident als Verfassungsorgan über offenbare Indiskretionen zulässt, wie der Innenminister eines Landes in die Nähe rassistischer Einstellungen gerückt wird.“ Die Anschuldigungen seien unberechtigt, da der Fall des algerischen Flüchtlings Khaled Bensaha „nach Maßgaben von Recht und Gesetz gehandhabt“ worden sei.

Rückendeckung erhielt Schönbohm von seinem Regierungschef Manfred Stolpe (SPD). Er habe keine Anhaltspunkte, dass die Vorwürfe stichhaltig seien, sagte Stolpe. Was Thierse geschrieben habe, finde er „ziemlich kräftig“.

Thierse hatte in seinem Schreiben an Schönbohm vom 28. Juli die Situation des 28-jährigen Algeriers Khaled Bensaha angesprochen. Dessen Anwältin habe ihn darauf aufmerksam gemacht, schrieb Thierse, dass Bensahas Bemühungen um ein längerfristiges Aufenthaltsrecht erfolglos geblieben seien. Thierse warf Schönbohm vor, den Asylbewerber nicht unterstützt zu haben. Nach Angaben der Anwältin, so Thierse, soll Schönbohm ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Bensaha abgelehnt haben, „da er ja in einem Land ein Aufenthaltsrecht anstrebe, in dem er traumatisiert wurde und deshalb nicht in der Lage sein werde, sich zu integrieren“. Bensaha war bei der Hetzjagd in Guben auf ein Auto geschubst und getreten worden und dem rechten Mob nur knapp entkommen.

Wenn dieses traumatische Erlebnis nun als Argument gegen das Opfer verwendet würde, sei dies „empörend“, schrieb Thierse, weil es den Eindruck erwecke, „dass deutsche Regierungsstellen die Ergebnisse und Konsequenzen rechtsextremer und rassistischer Vorfälle nicht nur hinnehmen, sondern sogar nutzen, in dem sie Teil offizieller Argumentation werden“.

Diesen Vorwurf will Schönbohm nicht auf sich sitzen lassen. Der CDU-Politiker hatte schon im Februar 1999 erklärt, der Fall Guben habe ihn „sehr nachdenklich gemacht“. Von einer unmenschlichen Behandlung Bensahas könne keine Rede sein. Der Asylantrag des Algeriers sei 1997 abgelehnt worden, seitdem sei eine Klage gegen den Ablehnungsbescheid anhängig. „Damit ist Herr Bensaha bis zum heutigen Tag wie jeder andere Asylbewerber im Besitz einer Aufenthaltsgestattung, und zwar so lange, bis über seine Klage entschieden ist.“ Im Dezember 1999 habe sich seine Anwältin um eine Aufenthaltsbefugnis bemüht, „da nur so das Trauma zu therapieren sei“. Dies sei abgelehnt worden, „da die Behandlung eines Traumas nicht von der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis abhängig“ sei.

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