: Die neue S-Klasse
Nicht ohne meine Horizontmaschine: Die Schaubühne stellte ihr neues Programm vor
Es wurde nicht ganz klar, was Thomas Ostermeier eigentlich gegen Claus Peymann hat. Bei der so genannten Publikumskonferenz am Montagabend gab es jedenfalls wieder Seitenhiebe Richtung Schiffbauerdamm. Reichlich zahnlos und völlig überflüssig. Dabei hätte gerade Thomas Ostermeier ein bisschen von Peymanns lockerer Eloquenz gut vertragen können, als er mit Sasha Waltz und dem Fernsehjournalisten Ulf Kalkreuth, der die Veranstaltung moderierte, auf einem Podium im Schaubühnenfoyer saß und die neue Spielzeit eröffnete.
Stattdessen saß er da wie ein verstockter Schulsprecher, der ein paar missglückte Beiträge in der Schülerzeitung vor der Gesamtkonferenz verteidigt. Auch Sasha Waltz war manchmal etwas patzig, und als die Journalistin Renate Klett beim Thema „Mitbestimmung“ darauf hinweist, die Aufführung am Abend sei wichtiger als die Ensemblekonferenz davor, antwortet Ostermeier, zum Glück habe man ja Eltern wie sie, von denen man solche Sachen lernen könne.
So viel Abgrenzung von den Erwachsenen wirkte bei Leuten, deren Pubertät doch schon länger zurückliegt, leicht daneben. Nicht bloß, dass ein paar Erwachsene ja auch in das Theater kommen sollen – wir haben es schließlich nicht mit dem Grips Theater zu tun. Bei so verkrampfter Jugendlichkeit müssen sich die Schaubühnenmacher dann auch nicht wundern, wenn man in ihnen letztlich bloß die verwöhnten Kinder der westdeutschen Überflussgesellschaft sieht, die irgendwie immer noch im elterlichen Garten spielen und von Langeweile gepeinigt „Gebt mir ein Unglück!“ brüllen.
Dabei hätten Waltz und Ostermeier diese Haltung gar nicht nötig gehabt. In relativ kurzer Zeit ist es ihnen schließlich gelungen, ein radikal zeitgenössisches Theater mit eigenen Autoren und den Ansätzen einer eigenen Theatersprache auf die Beine zu stellen.
Diese Spielzeit geht es nun weiter. Mit dem Norweger Jon Fosse, dem Thomas Ostermeier ursprünglich diese Spielzeit widmen wollte, hat die Schaubühne wieder einen sicheren Griff getan. Fosses von Ostermeier inszeniertes Stück „Der Name“, das als Koproduktion mit den Salzburger Festspielen Anfang Oktober Berliner Premiere hat, wird mit Sicherheit im nächsten Sommer auf der Theaterheute-Hitliste ganz oben stehen. Im nächsten Frühjahr inszeniert Barbara Frey „Traum im Herbst“, ein zweites Fosse-Stück.
Dieses Wochenende wird sie erst einmal die Spielzeit mit Horvaths „Eine Unbekannte aus der Seine“ eröffnen. Sasha Waltz arbeitet an einer Art Fortsetzung von „Körper“, einem Stück mit dem Arbeitstitel „S“, was für Sinnlichkeit, Sex, Schlange und andere erotisch besetzte S-Wörter steht: Premiere Mitte November. Es wird neue Stücke von Roland Schimmelpfennig und Marius von Mayenburg geben. Zusammen mit Wulf Twiehaus versucht sich von Mayenburg außerdem als Regisseur und inszeniert „Herr Kolpert“ von David Gieselmann.
Und dann kündigte Thomas Ostermeier ein berühmtes Stück eines berühmten jungen deutschen Autors an, „Dantons Tod“ von Georg Büchner nämlich. Das ist nur auf den ersten Blick ein Schritt in fremdes Land. Denn Büchner ist auch ein früher Ahne von Sarah Cane, deren letztes Stück „Psychosis“ in der kommenden Spielzeit als szenische Lesung vorgestellt wird. Man kann nur hoffen, das Ostermeier seine Drohung, in „Dantons Tod“ Erfahrungen aus den Theatervollversammlungen zu verarbeiten, nur bedingt realisieren wird. Aber Sasha Waltz hat ja angekündigt, in ihrem neuen Stück eine Horizontmaschine einzusetzen. Vielleicht leiht sie die ja mal an die Kollegen vom Schauspiel aus.
ESTHER SLEVOGT
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