Angeklagte: Der andere war's

■ Bunkermord-Prozess: Zwei Angeklagten belasten einander

Im Prozess um die Ermordung des jungen kurdisch-bremischen Paares Ayse Dizim und Serif Alpsozman am U-Boot-Bunker Valentin in Farge sagten gestern zwei der vier Angeklagten erstmalig zur Sache aus. Dabei beschuldigten sich der 30 Jahre alte Iskender T. und der 27-jährige Ahmet T. gegenseitig, die 18-jährige Frau und ihren schwerbehinderten Freund, der deswegen als PKK-Märtyrer galt, brutal ermordet zu haben. Einvernehmlich äußerten die beiden Angeklagten zuvor jedoch, dass die Tat im Auftrag der PKK stattgefunden habe – ohne dabei aber über ein genaues Motiv Auskunft zu geben. Dabei hätten sie selbst – so Ahmet T. und Iskender T. jeweils für die eigene Person – aus dieser bedrohlichen Befehls-Situation keinen Ausweg finden können.

Während Iskender T. angab, den Mord habe ein – seitdem polizeilich gesuchter – hochrangiger PKK-Kader genannt „Servet“ befohlen, will Ahmet T. dagegen in der Tatnacht selbst Todesängste ausgestanden haben. Der Grund: Er hatte sich nicht an Pro-Öcalan-Demonstrationen beteiligt; seine türkische Freundin habe sich gegenüber PKK-Leuten unangemessen verhalten. Sie sei deshalb gefährdet und er erpressbar gewesen.

Über die Stunden vor der Tat und ihre jeweilige Rolle während dieser Zeit sowie bei der Ermordung widersprachen sich die beiden Männer jedoch deutlich. Dabei stellte Iskender T. klar, dass der Mitangeklagte Ahmet T. sehr wohl – auch wenn er dem widerspreche – von PKK-Leuten als „ein guter Mann, der zu ihnen gehört“ bezeichnet worden sei. Auch zum Verlauf des Abends, in dessen Folge die beiden Opfer am frühen Morgen des 24. August vergangenen Jahres ermordet wurden, widersprachen sich die Männer gestern deutlich. Klart ist nur: beide waren am Tatort. Ansonsten belasteten sie sich gegenseitig.

„Ich habe den Fuß nicht auf den Kopf des Mädchens gestellt“, sagte so beispielsweise Iskender T. Der mitangeklagte Ahmet T., „der mich jetzt beschuldigt“, habe die Frau doch selbst aus dem Auto in die Dunkelheit ans Weserufer gezerrt. Schon im Wagen habe Ahmet T. auch ihrem gehbehinderten Freund Serif Alpsozman „mit einem Kopfschlag an den Kopf geschlagen“, so sein Übersetzer. „Da begann die Gewalt.“ Am Ufer schließlich habe Ahmet T. den Kopf der Frau in den Schlamm gedrückt. Er, Iskender T., habe sich, „ich weiß nicht mehr wie weit oder nah“ zum Geschehen, aufgehalten. Hinterher habe er zu dem Jüngeren gesagt: „Ahmet, wie grausam du bist.“ Der habe erwiedert: „Ich komme vom Krieg. Du bist in Europa groß geworden.“

Auch wie Serif Alpsozman später ums Leben kam, blieb gestern zweideutig. Iskender T. widersprach den belastenden Aussagen seines Mitangeklagten. Nicht er, sondern Ahmet T. habe eine Eisenstange in der Hand gehabt, auf Serif Alpsozman eingeschlagen und gerufen: „Er stirbt nicht. Er stirbt nicht“. Was der mitangeklagte Dritte, Sheymus M. tat, wisse er nicht. Er sei wie betäubt gewesen, schilderte er seine eigene Verfassung zur Tatzeit. Schon als der PKK-Mann „Servet“ den Doppelmord – „die müssen getötet werden“ – befohlen habe, habe er protestiert. In den Stunden davor habe er geglaubt, man wolle nur darüber sprechen, dass Serif Alpsozmann die junge Frau gegen den Willen ihrer Familie „entführt“ hatte. In der jesidischen Glaubensgemeinschaft kämen solche Ehen ohne Einverständnis der Familien tausendfach vor. Als jesidischer Geistlicher habe er damit gerechnet, hier zwischen den Parteien vermitteln zu sollen. Dass der ehemalige kurdische Guerrilla-Kämpfer Serif Alpsozman sich in dieser Angelegenheit schlecht verhalten habe, daran ließ Iskender T. keinen Zweifel.

Die Rolle von Sheymus M. (34) blieb gestern fraglich. Iskender T. erwähnte ihn kaum; Ahmet T. zufolge zwang Iskender T. den Sheymus M. mit vorgehaltener Pistole, Serif Alpsozman zu überfahren. Ob der dritte Angeklagte heute zur Sache aussagen wird, ist noch unklar. Allerdings verfolgte er gestern den Prozess erstmals aufmerksam, nachdem er zuvor teilweise gähnend offensichtlich gelangweilt hinnahm, als geschockte ZeugInnen beschrieben, wie brutal zugerichtet sie das blutige Opfer auf einem Fahrweg an der Weser gefunden hatten. ede