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Ein Kulturerbe zerstört

Aufstand der Kirchenmäuse: Mit einer neuen Atlantikliga wollen kleine Fußballnationen wie Holland, Dänemark und Schweden ein provokantes Gegengewicht zu Europas reichen Ligen aufbauen

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Vor einigen Jahren war es die Superliga. Pläne für eine Piratenliga der größten europäischen Fußballklubs. Von der Uefa erst einmal gestoppt, unter anderem durch eine kräftige Erhöhung der Preisgelder in der Champions Liga. Nun spukt die „Atlantische Liga“: der Aufstand der armen Kirchenmäuse.

„Wir finden die Geschichte sehr positiv“, so Lars-Ake Lagrell, Vorsitzender des schwedischen Fußballverbands. Der Mann ist sauer: „Wir können nicht nur dasitzen und zuschauen, wie die EU unseren nationalen Fußball kaputtmacht und damit ein Kulturerbe zerstört.“

Was den Mann aufregt, ist die Absicht der EU, nach dem Bosman-Urteil auch noch die Transfersummen für Spieler mit gültigem Vertrag abzuschaffen: „Eine fürchterliche Arroganz! Die fünf großen Fußballligen werden immer stärker, und wenn wir nichts tun, haben wir bald alle guten Spieler an sie verloren.“

Mit der Gründung einer gemeinsamen „sechsten Liga“ wollen die kleineren Fußballländer zusammen das erreichen, was sie allein nicht schaffen können: mit den fünf Großen – Italien, Spanien, England, Deutschland und Frankreich – einigermaßen mitzuhalten. Was Einnahmen, Werbeverträge, Fernsehgelder angeht. Und damit eben auch Spielerlöhne.

Die „Atlantische Liga“ ist angedacht. In Amsterdam fand kürzlich ein erstes Treffen statt, nach welchem sich folgende Planung ergibt: 14 bis 16 Klubs – je drei bis vier aus Holland und Portugal, zwei oder drei aus Schottland, sowie je zwei aus Belgien, Dänemark und Schweden – sollen aus ihren nationalen Ligen herausgelöst werden und in der neuen „EU-Atlantik-Liga“ spielen. Daheim sollen sie weiterhin an den nationalen Cup-Runden teilnehmen.

An einer Piratenliga hat man kein Interesse, man hofft auf offiziellen Uefa-Segen. Die nationalen Fußballverbände sollen unter Berücksichtigung wirtschaftlicher, spielerischer und historischer Gesichtspunkte bestimmen, welche ihrer Mannschaften in der ersten Saison in die Atlantik-Liga überwechseln. Danach soll es auch eine Auf- und Abstiegsregelung geben, bei der die zwei letztplazierten Mannschaften sich jeweils mit den eigenen Landesmeistern um den Verbleib in der Liga fighten müssten.

Aus Holland haben bereits Ajax Amsterdam, Feijenoord Rotterdam und der PSV Eindhoven Interesse angemeldet. Zusammen mit den Glasgow-Mannschaften von Celtic und Rangers, Benfica, Sporting und Porto aus Portugal, Anderlecht und Brügge aus Belgien, sowie Klubs aus Kopenhagen, Göteborg und Stockholm hofft man bei den Inititoren auf eine attraktive Mischung. Frank Arnesen, dänischer Manager beim PSV Eindhoven, gegenüber der dänischen Tageszeitung Berlingske Tidende: „Nach unseren Wirtschaftsberechnungen könnte unser Klub seine TV-Einnahmen und Werbegelder damit versiebenfachen. Damit sind nicht nur die höheren Reisekosten zu finanzieren. Es bliebe auch genug Zuschuss für die Kasse übrig.“

Arnesen fasst einen Spielbeginn der neuen Liga für das Jahr 2002 ins Auge. Lars-Ake Lagrell vom schwedischen Fußballverband ist vorsichtiger: „Da gibt es bestimmt noch viel zu diskutieren. Aber allein der Gedanke ist positiv und sympathisch. Es ist gut, dass es so einen Vorschlag gibt. Wir brauchen ein Gegengewicht zu den fünf Großen.“

Frank Arnesen verhehlt nicht, dass das Verbot von Transfersummen durch die EU eine der hauptsächlichen Triebkräfte hinter den Planungen ist: „Wir sind für einen freien EU-Markt. Aber wo bitte ist der freie EU-Markt? Bröndby Kopenhagen und PSV Eindhoven können ja nicht sagen: Okay, jetzt wollen wir in der Bundesliga mitspielen. Und weil wir das nicht können, müssen wir eben eine eigene attraktive Liga aufziehen.“ Lagrell hofft, eine Atlantik-Liga könnte die „Spielerflucht zwar nicht stoppen, aber zumindest etwas abbremsen“. Und fügt energisch hinzu: „Wir müssen einen Punkt setzen, sonst bluten wir völlig aus.“

Demnächst soll weiterdiskutiert werden. Frank Arnesen ist sich sicher: „Bis Dezember ist das Konzept entweder abgesegnet oder gestorben.“

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