: Kommission soll Konsens schaffen
Zuwanderungskommission steht unter Druck: Der Kanzler wünscht Einigkeit, die Union ein neues Asylrecht
BERLIN taz ■ Der Konsenskanzler hat gesprochen. Einen Tag nach der ersten Sitzung der Zuwanderungskommission stellte Gerhard Schröder gestern klar, was er sich von der Expertenrunde erwartet, die Innenminister Otto Schily (SPD) einberufen hatte: Die Vorsitzende der Kommission, Rita Süssmuth (CDU), und ihre 20 Mitstreiter sollen die Voraussetzungen für einen breiten Konsens schaffen. Schröder will die Zuwanderung nach Deutschland über die Parteigrenzen hinweg neu regeln. Wie er das anstellen will, ließ er offen. Im Bundestag rief er erst einmal dazu auf, die Debatte zu versachlichen.
An frommen Wünschen hatten es auch Schily und Süssmuth nicht mangeln lassen, als sie nach dem ersten Treffen der Kommission am Dienstagabend vor die Presse traten. „Völlig unbeeinflusst und unabhängig“ sollten die Vertreter aus verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen und Parteien ihre Arbeit leisten, sagte Schily. Druck machte er nur beim Terminplan: Bis zum nächsten Sommer hat die Kommission Zeit, um „konkrete Empfehlungen für eine zukünftige Zuwanderungspolitik“ zu erarbeiten. Am 23./24. September ist die erste Klausur, danach treffen sich die Experten alle drei Wochen, jeweils mittwochs.
Der enge Zeitrahmen sei notwendig, so Schily, schließlich solle die Kommission „nicht zur Bereicherung der Staatsbibliothek beitragen“. Nein, die Ergebnisse sollen eine „Grundlage für politische Entscheidungen“ schaffen, „und zwar noch in dieser Legislaturperiode.“
Inhaltlich gab Schily der Kommission einen klaren Auftrag. Sie soll untersuchen, welche Maßnahmen erforderlich sind, „um Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen“. Politisch am heikelsten ist die Frage, „ob und gegebenenfalls welche Änderungen im Asylverfahren“ notwendig sind, „um die Dauer der Verfahren zu straffen“.
Sichtlich beeindruckt von der Schwere ihrer Aufgabe entgegnete Süssmuth: „Die Zeit ist knapp, das wissen wir. Ob wir alles bearbeiten können, werden wir sehen.“ Dann betonte auch sie die Unabhängigkeit ihrer bunten Truppe. „Es geht nicht darum“, sagte die frühere Bundestagspräsidentin, „diese Fragen im parteipolitischen Gegeneinander zu behandeln.“
Genau das aber ist zu erwarten. Vielleicht nicht in der Kommission, wohl aber in der politischen Debatte. Zumindest die Parteivertreter in der Kommission stehen gehörig unter Druck. Die Union denkt gar nicht daran, die Vertretung ihrer Interessen den beiden liberalen CDU-Vertretern in der Kommission, Süssmuth und Horst Eylmann, zu überlassen.
Auch wird die Union nicht bis zum nächsten Sommer abwarten, was Schilys Expertenrunde beschließen wird. Die CDU hat eine eigene Einwanderungskommission einberufen. Deren Vorsitzender, der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU), kündigte an, dass sein Konkurrenzunternehmen schneller arbeiten werde als die Regierungskommission. Schon Ende des Jahres will er erste Ergebnisse präsentieren. Was darin stehen wird, nahm er vorweg: Am wichtigsten ist der CDU eine Verknüpfung der Zuwanderungsregelung mit dem Asylrecht.
Unmissverständlich signalisiert die Union, dass es die von Schröder erhoffte Zustimmung zu einem Zuwanderungsgesetz nur geben wird, wenn dafür das individuelle Grundrecht auf Asyl abgeschafft wird. Dieses Junktim könnte zum Knackpunkt der Zuwanderungspolitik werden – und die Arbeit der Kommission erheblich beeinflussen.
Bisher schließen die Sozialdemokraten Verfassungsänderungen aus. Und die Grünen hoffen, dass dies so bleibt: „Ich kann mir nicht vorstellen“, sagte Kommissionsmitglied Ralf Fücks gestern zur taz, „dass die SPD über den Kopf der Grünen hinweg einer Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl zustimmen wird – zumindest nicht, solange es diese Koalition gibt.“ Was aber, wenn es keine Einigung mit der Union gibt? „Vor einem Wahlkampf über dieses Thema fürchte ich mich nicht. Die Diskussion um die Green Card hat gezeigt, dass sich das gesellschaftliche Klima verändert hat.“ LUKAS WALLRAFF
Zitat:RALF FÜCKS:„Wir werden nicht bis zum Sommer abtauchen und mit dem Stein des Weisen wieder auftauchen. Für mich steht das Grundrecht auf Asyl nicht zur Disposition.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen