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Vertrautes Schimmern

■ Der DJ, Remixer und Produzent Turner stellt im Phonodrome sein jüngstes Album „Disappearing Brother“ vor

Die Sache mit der musikalischen Sozialisation. Was man in jungen Jahren erduldete, gewinnt man lieb, sieht im Zuge adoleszenter Häutung irgendwann Anlass, sich abzuwenden, um sich schließlich, mehr oder minder nostalgisch, zurückzuerinnern. Das alles dauert nicht unbedingt ein ganzes Leben, sondern geht auch deutlich schneller.

Zu solch verstiegener Überlegung könnte sich ermutigt fühlen, wer das zweite Album hört, das Paul Kominek alias Turner vor einiger Zeit veröffentlicht hat. Dort treffen wir sie alle wieder, die Keyboard- und Drumcomputer-Sounds, die uns – die entsprechende Biografie vorausgesetzt – die 80er-Jahre hindurch nicht von der Seite weichen wollten (und inzwischen auffällig einhellig rehabilitiert wurden). Nicht, dass die Verwendung von nach DX 7 und Emu-II Klingendem oder der ausgiebige Gebrauch von vocoder- oder anderweitig effektverhangenen Sprachsamples sonderlich originell wäre (da sind schon allerorts die zunehmend matter wirkenden Elektro-Nostalgiker vor). Turner verlässt sich nicht allein auf die polarisierenden Effekte von zu- oder abgeneigter Bekanntschaft, sein elegant klickender und pochender Tanzboden-Pop ist keine Retroveranstaltung. Er trennt sich von den Strukturen, von denen er die Klänge borgt, und dann gelingt es ihm momentweise, ähnlich einschlägigen Beispielen neueren Kölner Minimalismus', die Anspielung auf das Nötigste zu reduzieren: ganz vertraut schimmert es plötzlich, ohne dass die Anleihe so recht greifbar wird.

Als überhaupt nicht verstiegen, vielmehr sehr greifbar gelten Turners Live-Sets: vom Applaus seitens Genre-Größen wird berichtet und der allerersten Güte der Performance. Das kann jetzt überprüft werden. Alexander Diehl

heute, 22 Uhr, Phonodrome, Supp.: DJ Superpitcher, C.Jost

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