: Die Opferrolle liegt Hillary nicht
Bei der ersten Fernsehdebatte um den heiß umstrittenen Senatssitz im Staat New York macht Hillary Clinton nicht die beste Figur. Ihr stets etwas schüchtern wirkender republikanischer Gegenkandidat Rick Lazio kontert meist recht bravourös
aus Washington BERND PICKERT
„Großes Theater“ attestierte die Washington Post am Ende der Performance Hillary Rodham Clinton und ihrem republikanischen Gegenkandidaten Rick Lazio bei ihrer ersten Fernsehdebatte im Wahlkampf um einen der beiden Senatssitze im Staat New York am Mittwochabend. Das musste wohl auch sein – hatten doch die US-Medien dem Auftritt der beiden in Buffalo schon im Voraus bescheinigt, die meistbeachtete Fernsehdebatte zu führen, die es je im Rennen um einen Senatssitz gegeben hat. Und es geht um etwas: Die vielen Umfragen, die täglich veröffentlicht werden, sehen mal Lazio, mal Clinton in Führung.
Zur Freude der an lokalen Fragen wenig interessierten Zuschauer hielten sich beide nicht lange bei den reinen Sachthemen auf. Seit seiner Nominierung hat Lazio vor allem ein Argument gegen Hillary Clinton vorgebracht: Sie ist nicht aus New York, hat dort nie gelebt, er schon. Und so hätte er seine erste Entgegnung auf ein Statement Hillary Clintons zur Gesundheitspolitik vermutlich auch dann gebracht, wenn sie einfach nur „Guten Abend“ gesagt hätte: „Diesen Vorschlag“, sagte Lazio, der mit seinem jungenhaften Grinsen immer ein bisschen schüchtern wirkte, „hätte ein New Yorker nie gemacht.“
Für Lazio, den kaum bekannten Hinterbänkler aus Long Island im Washingtoner Repräsentantenhaus, musste es in der Debatte darum gehen, Format zu beweisen. Sein stärkstes Argument in der bisherigen Kampagne war seine Gegnerin: Hillary Clinton. Es gibt, und das weiß Lazio, eine Menge Wähler und insbesondere Wählerinnen, die von der Präsidentengattin nichts mehr hören und sehen wollen und jeden wählen würden, der gegen sie antritt.
In dieser Konstellation war die Aggressivität, mit der Hillary Clinton gegen Lazio zu Felde zog, indem sie ihm vorwarf, alle wichtigen Vorhaben im Kongress gemeinsam mit dem ehemaligen republikanischen Mehrheitsführer Newt Gingrich niedergestimmt zu haben, womöglich kontraproduktiv. Die alte Hexe, die auf den politischen Sonnyboy einschlägt – das kommt nicht gut an. Da hätten sich viele von der zehn Jahre älteren und erfahreneren First Lady mehr Souveränität erwartet. Regelrecht gegrillt wurde Hillary Clinton, als NBC-Moderator Tim Russert ihr ein Video vom Januar 1998 vorspielte: Kurz bevor Präsident Bill Clinton seine Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky öffentlich eingestanden hatte, hatte Hillary ihren Mann als Opfer einer „breit angelegten Kampagne von rechts“ verteidigt und beschworen, die Anschuldigungen seien falsch. Ob sie damals das Land nicht in die Irre geführt habe, fragte der Moderator. Sie habe die Wahrheit eben nicht gekannt, und das sei eine sehr schmerzhafte Zeit für sie, ihre Familie und das ganze Land gewesen, war die nicht wirklich überzeugende Antwort. Die knallharte Politikerin und Strippenzieherin in der Rolle der Gehörnten – das hat schon damals nicht zu ihr gepasst. Als Opfer überzeugt Hillary Clinton am allerwenigsten.
Kein Wunder also, dass Rick Lazio den ganzen Abend auf die Worte „Vertrauen“ und „Charakter“ zurückgriff, während Clinton stetig versuchte, Lazio nachzuweisen, dass er sich als Abgeordneter mitnichten für New York eingesetzt habe, sondern immer brav mit dem – inzwischen diskreditierten – Newt Gingrich gestimmt habe. Das aber konterte Lazio bravourös: „Ausgerechnet Sie, Missis Clinton, sollten nicht versuchen, andere in Sippenhaft zu nehmen. Newt Gingrich tritt hier nicht an, ich trete hier an.“
Das Resümee der Kommentatoren: Wer Hillary Clinton nicht mag, wird sie nach der Debatte nicht lieber mögen – wer Rick Lazio nicht kannte, kennt ihn jetzt besser. Zwar mögen die inhaltlichen Aussagen Clintons zur Wirtschaftsförderung überzeugender gewesen sein, zwar mag sie bewiesen haben, dass sie sich inzwischen in die lokalen Probleme eingearbeitet hat, und dennoch: Diese erste Runde geht an Rick Lazio – der chancenlose Nobody entwickelt sich zur ernsthaften Gefahr für die erste First Lady der USA, die ein öffentliches Amt anstrebt. Zwei weitere Debatten sind geplant.
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