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■ H.G. HolleinTele-Junkies

Die Frau, mit der ich lebe, hat zwei Kolleginnen. Für die brechen jetzt wieder harte Zeiten an. Big Brother is back. Kaum entwöhnt, hängen E. und H. ab heute wieder 100 Tage an der Glotze. Es war schon beim ersten Durchlauf tragisch mitanzusehen, wie sich zwei aufgeklärte, um nicht zu sagen intelligente junge Frauen als halt- und hemmungslose Thrashistinnen offenbarten. Ich weiß, wovon ich rede, und was wohl auch jetzt wieder auf mich zukommt. Neben der täglichen Dosis brauchen E. und H. in regelmäßigen Abständen den Super-Kick in Form mehrstündiger Video-Zusammenschnitte. Den könnten sie sich von mir aus ja ruhig gönnen, allein, damit die Post so richtig abgehen kann, braucht es ein paar Mitseher als Resonanzboden für die emphatischen Ausfälle gegen die armen Hampel in ihrem Container. Die letzte dieser Orgien fand in unserer Wohnung statt. Sie hat mich acht Stunden meines Lebens gekostet. Es war ein hochkommunikativer Abend. Erinnerlich ist mir vor allem, wie meine liebevoll zubereiteten Schnittchen mit roboterhafter Motorik auf Mundhöhe gebracht, eingeschwenkt und sodann zwischen zeitlupig rotierenden Kiefern zermahlen wurden. Ich muss dann im Laufe der zäh verrinnenden Stunden wohl eine ganze Menge getrunken haben. Ich weiß aber noch, dass ich besorgt registrierte, wie die zombiehafte Aura von E. und H. allmählich auch die Gefährtin einzuhüllen begann. Das Morgengrauen inmitten dreier somnambuler Frauen heraufziehen zu spüren hat schließlich schon ganz andere das Gruseln gelehrt. Festzuhalten bleibt immerhin, dass E. und H. die einzigen Frauen sind, die jemals gleichzeitig auf meinem Bett gelegen haben. Auch wenn sie nur glasige Augen für den Fernseher hatten.

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