: „Ich bin desillusionierter“
mit Joachim Gauck sprachenBASCHA MIKA und WOLFGANG GAST
taz: Zehn Jahre waren Sie Herr über die Stasi-Akten. In wenigen Tagen werden Sie Ihren Job an den Nagel hängen. Freuen Sie sich auf den Ruhestand?
Joachim Gauck: Zum Teil. Ich führe ein so intensives Leben auf der öffentlichen Bühne, dass ich auch den Verlust spüren werde. Wenn ich in einem Konzert sitze oder im Museum, wenn ich eins meiner Enkelkinder wiedersehe oder im Gottesdienst bin, dann fällt mir auf, dass ich oft von Wehmut heimgesucht werde – wo doch eigentlich stille Freude angesagt wäre.
Offenbar kein leichter Abgang.
Ich bin 60 und möchte mir noch nicht vorstellen müssen, dass ich jetzt nur noch für die schönen Dinge des Lebens da sein darf.
Haben Sie konkrete Pläne?
Diese Frage ist mir eher unangenehm, wahrscheinlich wegen meines persönlichen Strickmusters. Ich kann zwar dynamisch sein, aber wenn es um meine eigene Interessen geht, fällt es mir schwer. Ich möchte mich gerne zu etwas rufen lassen.
Klingt hübsch bescheiden. Diese defensive Haltung kennt man eher von Frauen.
Vielleicht ist es der Beginn von Reife, dass einige meiner weiblichen Anteile das Licht des Lebens erblickt haben.
Es war ziemlich ruhig geworden um Ihre Behörde. Dann kam der CDU-Spendenskandal und mit ihm der Streit um die Frage, ob Sie Abhörprotokolle der Stasi – die Telefonate von Ex-kanzler Kohl dokumentieren – veröffentlichen dürfen. Kohl will das verhindern. Für Sie muss es ein Déjà vu sein.
Durchaus. Fragen wie „Sind diese Akten, die böse Menschen angelegt haben, überhaupt glaubwürdig?“ sollten sich eigentlich nicht mehr stellen. Aber plötzlich tauchen sie wieder auf, werden scheinbar ernsthaft diskutiert und sind gespickt mit Verdächtigungen in Bezug auf meine Person. Ich werde von Leuten aus der Union angegriffen, die mir in Stolpe-Zeiten noch auf die Schulter geklopft haben. Ähnliche Anfeindungen habe ich allerdings auch von der anderen politischen Seite erlebt.
Kohl und die Union scheinen den Charakter der Gauck-Behörde selbst nach zehn Jahren noch nicht begriffen zu haben.
Das würde ich für die Mehrheit in der CDU-Fraktion so nicht sagen. Außerdem gibt es in allen politischen Lagern Leute, die über den parteipolitischen Tellerrand gucken. Es ist rückblickend sicher einer meiner größten Erfolge, dass es beim Thema „Aufarbeitung der Vergangenheit“ eine Einheit aller Demokraten gegeben hat, bis auf die PDS. Sie war zwar 1990 mehrheitlich für die Öffnung der Akten – später überwog aber restauratives Gedankengut.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse befürchtet, dass Ihre Behörde so gut wie tot ist, wenn Kohl es schafft, die Aktenherausgabe zu verhindern.
Der Tod der Behörde ist schon oft prognostiziert, erhofft oder erwartet worden. Diese Befürchtung teile ich nicht. Und was Herrn Kohl betrifft – ihm steht jedes rechtsstaatliche Mittel zu, seine persönlichen Interessen zu verteidigen. Dann werden wir sehen, wie der Rechtsstaat entscheidet.
Hier geht es doch weniger um eine juristische als um eine politische Auseinandersetzung. Erst seitdem Politiker aus dem Westen mit Stasi-Akten konfrontiert werden, taucht bei denen die Frage auf: Darf man das?
Wir müssen uns vor einer Banalisierung hüten, die da lautet: „Niemand hat es interessiert, wie die Akten verwendet wurden, als bei uns im Osten Tausende von Biografien gebrochen wurden. Kaum dass im Westen jemand Bauchschmerzen hat, gibt es Probleme.“ So reden Nostalgiker. Stattdessen muss man sehr genau hingucken und die Schicksale Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit nicht mit den Problemen von Opfern der Stasi vergleichen. Und Helmut Kohl ist ganz sicher ein Opfer, dessen Akte grob rechtsstaatswidrig zustande gekommen ist.
Allerdings ist das ja nicht nur bei ihm der Fall. Dasselbe gilt für einen hohen Prozentsatz der Stasi-Unterlagen: für Abhörprotokolle, Raumabhörung durch Wanzen, Ablichtung von geöffneten Briefen, Niederschriften von illegalen Wohnraumdurchsuchungen und anderes mehr. Trotzdem hat der Gesetzgeber festgelegt, dass diese Unterlagen im Rahmen eines Spezialgesetzes genutzt werden dürfen. Und zwar aus der Überzeugung heraus, dass es mehr Schaden anrichten würde, wenn man es nicht tut.
Was passiert, wenn sich der Altkanzler mit seiner Blockadehaltung durchsetzt?
Es würde den politischen Diskurs verändern. In der Öffentlichkeit würde das Gefühl entstehen, dass man interessengeleitet eine aufklärerische Vergangenheitspolitik stoppen kann.
Auch über Sie, Herr Gauck, gibt es eine Stasi-Akte. Politiker wie Peter-Michael Diestel, der letzte Innenminister der DDR, behaupten, Sie hätten keinen Anspruch, im öffentlichen Dienst beschäftigt zu sein – wenn man denn Ihre Akte gründlich lesen würde.
Wenn man sich meine Akte genauer anguckt, wird man ganz sicher zu einer anderen Auffassung kommen. Es steht Ihnen frei, den Bericht aus meinem operativen Vorgang „Larve“ nachzulesen. Vielleicht stolpern Sie wenigstens über den Satz, in dem ich dem Verfasser ankündige, dass das Volk irgendwann über die Machenschaften der Staatssicherheit richten wird.
Halten Sie solche persönlichen Angriffe aus?
Diestel war immer unseriös, stand oft mit der Wahrheit auf Kriegsfuß, nicht nur bei mir. Derartige Personen und Angriffe darf man nicht ernst nehmen. Als der Schriftsteller Stefan Heym mich seinerzeit einen Großinquisitor nannte, war das schon etwas anderes. Oder wenn Stasi-Opfer wie Jürgen Fuchs darunter leiden, dass in dieser Behörde auch einige wenige Stasi-Mitarbeiter beschäftigt sind, dann geht mir das nahe.
Vor allem im Osten sind Sie ein Hassobjekt. Wie lebt es sich damit?
Natürlich wäre es mir manchmal lieber, wenn die Treuhandanstalt und Frau Breuel noch existieren würden. Dann würde sich das Hasspotenzial ein bisschen verteilen. Jetzt geht die Wut der Unaufgeklärten voll gegen mich, das ist okay. Wenn aufklärerische Politik keine Gegner hätte, wär es ja finster. Außerdem besteht der Osten nicht nur aus Nostalgikern. Es gibt genug Menschen, die sich über Freiheit und Demokratie freuen, die auch 89 dabei waren. Ich habe viele Freunde – da geht das mit den Feinden in Ordnung.
Spricht hier einer der letzten Gerechten . . .
Das habe ich gar nicht nötig. Ich fühle mich, was Zustimmung und Beistand betrifft, nicht allein gelassen. Was mich stärker irritiert als diese Feindschaft ist der Vorwurf, ich sei zum Bürokraten verkommen . . .
. . . der seelenlos Akten verwaltet, ohne sich um menschliche Schicksale zu scheren?
Hinter diesem Vorwurf steckt entweder ein handfestes Interesse derer, bei denen durch Überprüfungen die Kooperation mit der Stasi herauskommt, oder ein romantischer Politikansatz: Dieser Ansatz ist allerdings im politischen Diskurs außerordentlich problematisch. Denn tatsächlich – und das musste ich auch erst lernen – braucht es ein bestimmtes Maß an Rechtsordnung, Rechtssicherheit und Bürokratie. Sie ist entstanden zum Schutze derer, die sich selber nicht so gut schützen können; sie macht Verwaltungshandeln nachvollziehbar. Für kleine Leute ist das übrigens wichtiger als für große Macher.
Die DDR war doch durch und durch bürokratisch. Und hat auch dadurch die „manifeste Gehorsamstradition“ befördert, die Sie heute im Osten beklagen.
Das ist für mich ein ganz wichtiges Thema, denn ich bin erschrocken über die Langsamkeit der Veränderung in der Bevölkerung. Ich glaube, dass unsere Gehorsamstradition zu Defiziten bei den zentralen Werten der Demokratie führt. Wir mussten in einer Gesellschaft leben, die uns nicht ermächtigt hat zum Bürgersein, die uns in Ohnmacht gehalten hat. Andere Nationen, etwa die Holländer, die Amerikaner, auch die Franzosen und Briten konnten das Bürgersein etwas länger trainieren. Bei uns gab es eine neue Form von Untertanengesellschaft, einschließlich einer neuen Adelskaste – da entwickelt sich keine Zivilgesellschaft, außer auf den Inseln, die von den Couragierten bewohnt werden.
Was sollten denn die Ostdeutschen tun?
Sie können wenig anderes tun, als sich zu öffnen. Sie müssen sich darauf einlassen, dass man die offene Gesellschaft nicht fürchten muss.
Ziemlich euphemistisch, schließlich gab und gibt es Verlierer.
Klar gibt es die, in welcher Gesellschaft nicht?
Und denen sagen Sie dann . . .
Ich sage denen, was ich auch Ihnen sage: dass es mehr Grund zur Freude als zur Furcht gibt . . .
. . . das klingt nach Sonntagspredigt.
Man muss es ja nicht nur den Bürgern, sondern auch den Politikern sagen. Man muss etwa Helmut Kohl fragen, warum er nach seiner großartigen Wiedervereinigungspolitik von 1990 dann so schwach war bei der Strukturpolitik im Osten.
Warum sollten bessere ökonomische Bedingungen das demokratische Bewusstsein stärken?
Entmächtigte brauchen Trainingsfelder der Ermächtigung. Um Handeln als normal und Gehorsam als unnormal zu erfahren. Das brauchen sie politisch – da haben sie es zum Teil gehabt –, das brauchen sie aber auch wirtschaftlich. Man kann leichter mit einem Menschen über die Vorteile der Demokratie sprechen, wenn er Teil eines umfassenden Fortschritts- und Erfolgsprojektes ist. Wir müssen uns fragen, ob es richtig war, zu meinen, der Markt allein wird’s richten.
Waren Sie gegen die schnelle Wiedervereinigung, für den Dritten Weg?
Ich komme aus der linksprotestantischen Ecke. Bei uns war, auch vom Westen beeinflusst, der Gedanke eines alternativen Sozialismus bis in die 80er-Jahre immer sehr lebendig. Aber diese Vorstellung, auch über den Dritten Weg, habe ich mir sehr schnell abgeschminkt. Denn als wir uns 1989 fragten, was ist denn nun die Ökonomie des Dritten Weges? Was machen wir mit unseren volkseigenen Betrieben und soweiter? Da war nichts als Schweigen im Walde. Ich habe mir damals gesagt: Bevor das Paradies des Dritten Weges kommt, kommt die Rheinische Republik mit ihrem Kapitalismus. Es war der Charme und die Chance des weniger Schlechten.
Klingt fürchterlich realpolitisch.
Nein, befreiend realpolitisch! Das weniger Schlechte politisch zu gestalten ist ein außerordentlich hohes Politikziel. Sicher nichts für junge Menschen, die am liebsten gleich das vollendet Gute gestalten wollen. Aber ich war bereits 50 und ein gebranntes Kind – geboren unter der einen und aufgewachsen unter der anderen Diktatur. Da verabschiedest du dich schneller von den Visionen im Bereich der Politik. Jetzt kommt erst mal der nächste machbare Schritt. Danach folgen weitere. Zu viel Visionen erzeugen nur zu häufig eine Verachtung der Realität und die Abwendung vom Handeln.
Apropos Protestantismus: Warum sind Sie eigentlich Pfarrer geworden?
Wenn es anders gekommen wäre, wäre ich heute wahrscheinlich Journalist. Oder Dichter. Das wäre mir das liebste gewesen. Allein – es fehlte die Begabung.
Man wird doch nicht Pfarrer, weil man zum Dichter nicht taugt.
Ich habe mich ja eben als Pragmatiker geoutet und als Realo. Aber davor gibt es ja Sehnsucht oder Hoffnungen. Und die erwachsen bei mir eben hauptsächlich aus dem christlichen Glauben. In der Bibel begegnete ich einem Gott, der den Aufbruch aus der Knechtschaft segnet, den Strukturen des Todes Feind ist und eine irrationale Liebe gegen die Vergötzung der Macht setzt: Gegenkultur!
Was hat Glaube mit Pragmatismus zu tun?
Ich glaube schon, dass wir bessere Realos sind, wenn es in unserer Seele oder auch in unseren sozialen Bezügen Verbindungen gibt zum Denken und Hoffen und Sehnen über den Horizont hinaus. Der Mensch verhungert sonst. Mit diesem weiteren Horizont muss ich mich dann doch wieder zu Visionen bekennen.
Die Sehnsucht hat Sie ins Pfarramt getrieben?
Ganz eindeutig. Es gibt einen Hunger nach Gerechtigkeit, der ist nicht von dieser Welt. Und, ja, der ist für mich verbunden mit dem Glauben. Und in den Gemeinden der Unterdrückten haben wir dann auch ein Stück Gegenkultur erleben können.
Nun verbreiten Sie seit zehn Jahren nicht mehr den Glauben, sondern Informationen – und das ausgesprochen erfolgreich. Vier Millionen Anträge auf Akteneinsicht sind bislang bei Ihrer Behörde eingegangen. Hat das der demokratischen Kultur genützt?
Ganz sicher. Ohne diese Überzeugung könnte ich’s ja nicht ertragen. Denn soviel Lustgewinn ist mit der Arbeit nun auch nicht verbunden.
Was war Ihre bitterste Niederlage?
Bittere Niederlagen (lange Pause) . . . Ich kann mich nicht erinnern. Ich kann mich an unangenehme Debatten und Verdächtigungen erinnern. Das begann sehr früh, schon im Falle de Maizière und Stolpe. Die Entscheidung des brandenburgischen Untersuchungsausschusses, Stolpe vom IM-Verdacht freizusprechen, war für mich und die Mehrheit meiner Beschäftigten nicht nachzuvollziehen. Aber wir haben dann gelernt, dass die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses in der Regel mit Mehrheitsverhältnissen im Parlament zusammenhängen. Das als Niederlagen zu begreifen habe ich gar nicht erst angefangen.
Sie geben sich ganz schön abgeklärt.
Ich bin älter geworden und habe nicht die Allmachtsvorstellung, dass diese Behörde die Instanz der politischen Katharsis ist. So idealistisch war ich nie. Schließlich bin ich schon gut 50 gewesen, als ich hier anfing.
Aber hatte nicht die öffentliche Debatte um die Stasi-Spitzelei ein kathartisches Moment?
Ja doch, aber sehr viele, zu viele sind dem ausgewichen, es wird erst bei späteren Generationen stärker wirksam werden. Der Fall der Mauer hat wie ein Geschichtsbeschleuniger gewirkt. Jeder der sich 89 im Osten politisch engagiert und die revolutionäre Stimmung mitbekommen hat, merkte, wie schnell sich etwas verändern kann. Und dann kam eine Phase der unendlichen Langsamkeit, die Phase des Mentalitätswandels. Dann werden Sie schon sehr nüchtern. Ich könnte auch sagen, ich bin desillusionierter.
Der Erfolg Ihrer Behörde hat auch einen Pferdefuß: Im Rückblick auf 40 Jahre DDR steht die Stasi, der Diener der Partei, im Rampenlicht. Deren Auftraggeber aber, die SED, verabschiedet sich in mildem historischem Licht.
Man hätte diejenigen Vertreter der SED, die tatsächlich Macht ausgeübt hatten – im Zentralkomitee, der Bezirks- oder Kreisleitung, die Leute aus den Machtzentren –, die hätte man ähnlich überprüfen und behandeln müssen wie die IM der Staatssicherheit.
Wären Sie für ein Tribunal gegen die SED gewesen?
Ja, aber das kann man nur machen, wenn es einen großen gesellschaftlichen Konsens gibt. Und gerade viele Linksliberale, von denen wir eigentlich Unterstützung erwartet hatten, haben diesen Ansatz nicht verstanden. Vielleicht haben wir auch versäumt, den Gedanken richtig klar zu machen.
Wie hätte die Anklage des Tribunals lauten müssen?
Vielleicht hätten wir im ersten Schritt über die verschiedenen Kategorien von Schuld reden müssen, die der Philosoph Karl Jaspers nach dem Krieg entwickelt hat: moralische Schuld, metaphysische Schuld, strafrechtliche Schuld und politische Verantwortung. Um dann im zweiten Schritt deutlich zu machen, dass es im Tribunal um politische Verantwortung geht. Ganz konkret: mit Namen, Adressen und Sachverhalten. Das Tribunal hätte in diesem Sinne auch Urteile fällen können, ohne dass dabei eine Nähe zu strafrechtlicher Ahndung hätte hergestellt werden müssen. Aber eine Nation, die lieber geschichtsvergessen sein möchte, die Angst vor der Nestbeschmutzung hat, die kriegen Sie durch keine Methode an einen Tisch, an dem solche Debatten geführt werden. Bereits nach dem Krieg wurde uns exemplarisch vorgeführt, wie lange wir in Deutschland die Annahme von Schuld verweigern.
Wie groß muss eine Schuld sein, damit eine Nation das kollektive Bedürfnis hat, sich von ihr zu reinigen?
Dieses Bedürfnis entsteht nicht automatisch, egal wie groß die Schuld ist. Der Fluchtimpuls ist kreatürlicher, normaler. Deshalb kann man dann nur hoffen, dass der Prozess der Aufarbeitung sich in langsamen historischen Schritten vollzieht. Für den Zeitzeugen, sei es für den aus dem KZ oder aus Bauzen, ist aber gerade das unerträglich, der findet das bodenlos. Der kann seinen Frieden nur schwer machen mit einer Öffentlichkeit, die so langsam ist. Und das besondere von Aktivisten, wie ich einer bin, besteht nun darin, an der Seite der Unterdrückten der jeweiligen Systeme zu stehen. Wir müssen sagen: Liebe Öffentlichkeit, wenn du noch ein bisschen Zeit brauchst, um dich mit der Geschichte zu beschäftigen, fangen wir trotzdem schon mal an.
Zehn Jahre deutsche Einheit und die Antipathie zwischen den Deutschen Ost und West besteht weiter. Warum mögen wir uns nicht?
Die Deutschen im Osten sind viel deutscher. Bei ihnen hat sich das Bewusstsein, dass Angepasstheit und Unterwürfigkeit eher normal sind und sich gut rechnen, unter zwei Diktaturen massiv verstärkt. Ein Grund, warum der Westdeutsche sie in der Tiefe nicht mag. Der Westdeutsche erinnert sich an sich selbst, wenn er uns im Osten sieht und denkt: „Das kann nicht wahr sein!“ Er will nie so gewesen sein. Er will nicht so fremdenfeindlich, so deutschgläubig und Blümchentapeten-ordnungsliebend gewesen sein. Gleichwohl war er es. Da brauchen wir uns nur an die Nachkriegszeit und die junge Republik zu erinnern! Darum brauchen wir auch noch deutlich mehr Zeit, dass sich die Kulturen aneinander gewöhnen.
Zitate:
ZU DEN KOHL-AKTEN„Ich werde von Leuten aus der Union angegriffen, die mir in Stolpe-Zeiten noch auf die Schulter geklopft haben.“
ZUR WIEDERVEREINIGUNG„Bevor das Paradies des Dritten Weges kommt, kommt die Rheinische Republik mit ihrem Kapitalismus. Es war der Charme und die Chance des weniger Schlechten.“
ZU EINEM SED-TRIBUNAL„Man hätte diejenigen Vertreter der SED, die tatsächlich Macht ausgeübt haben, ähnlich überprüfen und behandeln müssen wie die IM der Staatssicherheit.“
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