: Ans Herz gewachsene Wunschmusik
Der Traum vom besseren Leben durch Pop ist noch nicht ausgeträumt: Das Label Monika gibt der leichten Elektronikmusik eine Plattform und ist ein gelebter Independent-Mythos, der nicht einfach nur Platten, sondern erklärte Lieblingsmusik veröffentlicht
von ANDREAS HARTMANN
Monika ist anders. Das fängt schon bei den Promotion-Postkarten an, mit denen Labels auf ihr Treiben aufmerksam machen wollen. Normalerweise laufen diese immer auf einen „Hol dir diesen heißen Scheiß“-Slogan hinaus. Bei Monika langt ein süßer Welpe mit treudoofem Blick, auf der Rückseite die E-Mail-Adresse und sonst nichts.
Bei Monika wird man auch darauf hingewiesen, dass die ganze Sache mit dem Berlin-Mitte-Pop ein Missverständnis ist. Gut, Kitty Yo haben ihr Office unweit der Hackeschen Höfe, und die machen so viel Tamtam, dass man schon mal leicht vergisst, dass Berlin und Pop sich eben doch nicht bloß auf Kitty Yo und Mitte reimen muss. Monika jedoch hat ihr Office da, wo das junge Berlin derzeit nicht unbedingt vermutet wird: in Schöneberg. Irgendwo an der Grenze zu Kreuzberg, dort wo sich grün wählende Ärzte und Naturkost-bewusste Rechtsanwälte wohl fühlen. Als Headquarter, in dem Fahrradkuriere ein- und ausgehen, sich die Pizza-Kartons stapeln und die Kaffeemaschine nicht funktioniert, muss man sich das Zuhause von Monika dann auch gar nicht vorstellen. Vielmehr als Wohnzimmer-Office und kleine Arbeitsnische innerhalb der schicken Wohnung von Labelchefin Gudrun Gut. Hier herrscht eine geschäfti- ge Wohlfühlatmosphäre, hier scheint er noch zu existieren, der angeblich ausgeträumte Traum vom besseren Leben durch Pop.
Seit zwei Jahren gibt es nun schon das Label, das mit dem Erblühen der damaligen so genannten Wohnzimmer-Szene seine Existenzberechtigung erfuhr. Damals fand man es toll, irgendwelchen DJs in Puschen vor dem eigenen Kamin beim Auflegen über die Schulter zu blicken und manchmal spielte dann auch noch eine Band. Eine davon waren die Quarks, deren wunderlich anheimelnder Elektronik-Pop auch Gudrun Gut gefiel. Die Musik dieser Band musste in weiteren Wohnzimmern verbreitet werden. Und zwar über den einfachsten Weg: den Tonträger. „Wiederkomm“ heißt somit die erste Single der Quarks auf dem ersten Release von Monika. Und der Sound, für den die Quarks stehen, hat sich inzwischen richtig als Monika-Klangaroma etablieren können. Gudrun Gut nennt dieses „eine Mischform aus Sound und Song, ohne Crossover zu sein.“
Bis heute gibt es bei Monika keine Frauen-freie Band. Und das nicht ohne Grund. Gudrun Gut: „Die Idee, dieser leichten, netten Elektronik eine Plattform zu schaffen, bekam ich während Gesprächen mit der kanadischen Spoken-Word-Künstlerin Myra Davies. Mit ihr habe ich mir überlegt, ob Frauen wirklich Rock und aggressive Musik machen müssen, wo die Männer das doch schon gut genug können. Außerdem komme ich aus den Achtzigern. Ich stand damals nur auf das Härteste, die Swans und so was. Doch irgendwann war das abgegessen.“
Oh ja, Gudrun Gut kommt aus den Achtzigern. Da klopfte sie bei den Neubauten auf Schrott herum, und da hatte sie später selbst mit Malaria eine New-Wave-Girlband am Start, die längst legendär ist. Später ging es weiter mit Matador, dann kam der Ocean Club. Gut: „Ich habe seit damals eigentlich jedes Jahr eine Platte veröffentlicht. Bis auf das letzte Jahr. Da war ich viel zu sehr mit Monika beschäftigt.“
Gudrun Gut veröffentlicht auf ihrem Label nicht nur Platten, sondern erklärte Lieblingsmusik. „Ich glaube, dass jede Platte, die wir veröffentlicht haben, ein Meilenstein ist.“ Wie man es sich eben bei einem gelebten Independent-Ethos vorstellt: Keine Produkte veröffentlichen, sondern ans Herz gewachsene Wunschmusik. Das, was Gudrun Gut da neben Monika alles macht, soll nicht unbedingt mit der Labelarbeit vermischt werden. Einmal wöchentlich hat sie auf Radio Eins mit Thomas Fehlmann ihren Ocean Club, in dem es obskure elektronische Musik zu hören gibt, und einmal im Monat einen Club-Abend im WMF. Auch ihre Vergangenheit soll mit Monika nichts zu tun haben, doch manchmal holt sie sie eben doch wieder ein. Die Chicks On Speed haben erst vor kurzem Malarias „Kaltes klares Wasser“ gecovert und damit einen veritablen Hit gelandet. Hier schließt sich der Girl-Power-Kreis und Generationen entdecken sich gegenseitig. Ach ja, warum eigentlich nun der Name Monika? „Ich hatte einen Goldfisch Monika, der beging irgendwann Selbstmord. Über das Label lebt der Fisch nun weiter.“ Okay, alles klar.
Quarks: „Rehmixe“ (Monika/Indigo)
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