: Greenpeace goes business
Um den Strommarkt zu verändern, gründeten die Umweltschützer nach ihrer Stromkampagne mit Greenpeace Energy ein eigenes Unternehmen. Mit dem Bau von eigenen Kraftwerken will die Genossenschaft Kosten drücken
aus Hamburg GERNOT KNÖDLER
Strom verkaufen ist Politik. Das ist für Heinz Laing keine Frage. Andernfalls hätte sich der altgediente Anti-Atom-Kämpfer, der beruflich „eigentlich kürzer treten wollte“, nicht motivieren lassen für ein derartiges Projekt: Nach dem FCKW-freien Kühlschrank bietet Greenpeace seit einem Jahr auch sauberen Strom.
Das Geschäft läuft erfolgreich. Bis zur Genossenschaftsversammlung am 18. November will „Greenpeace Energy“ 10.000 Lieferverträge unter Dach haben – doppelt so viele wie für das wirtschaftliche Überleben nötig. Hervorgegangen ist Greenpeace Energy ist aus der von Laing mitinitiierten Stromwechsel-Kampagne. An deren Ende hatte Greenpeace nach eigenen Angaben 60.000 Adressen von Leuten gesammelt, die ihrem alten Stromversorger zugunsten eines atom- und kohlestrom-freien Versorgers kündigen wollten. Allein, es fand sich kein Energie-Dienstleister, der die von Greenpeace geforderten Kriterien erfüllen konnte: den besonderen Strommix, die Verpflichtung zum Neubau regenerativer Kraftwerke sowie die ständige Offenlegung der Stromquellen.
Die Greenpeacer gründeten selbst eine Einkaufs-, Vertriebs- und Verkaufsgenossenschaft für umweltfreundlichen Strom. Bislang arbeiteten die neun MitarbeiterInnen noch in ein paar kleinen Büros im Greenpeace-Speicher in Hamburgs Großer Elbstraße. Ab morgen werben sie von ihrem neuen Domizil in der Nähe des Hauptbahnhofs aus neue Kunden, schließen Lieferverträge und klären Fragen wie: Kommt wirklich grüner Strom aus der Dose? Hinzu kommen Kampagnen, Projekte und die Durchleitungsverträge mit den Stromnetz-Betreibern.
Mit 300 von schätzungsweise 750 Netzbetreibern bundesweit hat Greenpeace Energy nach eigenen Angaben Verträge ausgehandelt. „Das ist die Ochsentour, die wir schon das ganze Jahr machen“, sagt Laing. Die Bundesregierung habe es versäumt, einen detaillierten Rahmen für die Durchleitung vorzugeben. Jetzt müssen Anbieter und Netznutzer einzeln verhandeln.
Die Leute von Greenpeace Energy werden durch vier KollegInnen der Stadtwerke Schwäbisch Hall unterstützt. Beide Firmen kooperieren: Während sich Greenpeace Energy bisher vor allem um den Vertrieb kümmert, sorgen die Schwäbisch Haller dafür, dass das Licht nicht ausgeht. Sie erzeugen sauberen Strom, kaufen ein und gleichen das Angebot mit dem Bedarf ab. Greenpeace Energy lässt viertelstündlich messen, wie viel Strom aus welchen Quellen geliefert wird. Die Daten werden regelmäßig veröffentlicht und zweimal im Jahr von dem Aachener Institut BET überprüft.
„Strom ist ein sehr beratungsintensives Produkt“, weiß Heinz Laing aus Erfahrung. Das Publikum zeige einen enormen Informationsbedarf, reagiere äußerst zurückhaltend auf Werbung und sensibel auf den Preis. „Es ist erstaunlich“, findet Laing, „wie auch bei hart gesottenen Öko-Leuten plötzlich die Pfennigfuchserei losgeht“.
Seine Antwort und die seines Vorstandskollegen Roland Hipp ist der Aufbau eines bundesweiten Vertriebssystems, das bereits „in Vorbereitung“ sei. „Wir müssen möglichst nah ran an die Kunden“, sagt Laing. Dennoch scheint unklar, wer den Green-Strom an die Frau bringen soll: Laing spricht vage von der Suche nach „jemandem, der so was mit vertreibt“.
Der Vertrieb ist entscheidend, denn Laing will mit dem grünen Strom raus aus der Nische. „Wir sind angetreten, mit dem Produkt Ökostrom den Markt zu verändern“, sagt er kämpferisch. Mit 10.000 KundInnen werde das nicht gelingen, mit 100.000 dagegen schon eher – ein Ziel, das er nicht für illusorisch hält. „Ich glaube, es gibt bei vielen Leuten den Wunsch, etwas zu tun für die Umwelt“, sagt der Genossenschaftsvorstand. Leute, die nicht zum engen Kreis der Hardcore-Ökos gehörten. Sie zu gewinnen, sei „die eigentliche Herausforderung an die Öko-Stromer“. Ob daraus etwas wird, muss sich Laings Ansicht nach bis in spätestens drei Jahren zeigen.
Das ist auch der Zeitpunkt, ab dem Greenpeace Energy schwarze Zahlen schreiben will. Laing ist stolz darauf, dass sein Betrieb bisher keine Kredite in Anspruch genommen hat. Die Ausgaben wurden aus den 1,3 Millionen Mark bestritten, die die 5.200 Mitglieder der Genossenschaft in Anteilen von maximal 1.000 Mark zur Verfügung gestellt haben. Um konkurrenzfähig zu bleiben und um das Versprechen einzulösen, dass jeder neue Kunde nach zwei Jahren aus einer neu gebauten Anlage versorgt wird, will Greenpeace Energy allerdings eigene regenerative Kraftwerke bauen. Eine Photovoltaik-Anlage und ein Windrad seien in Planung. Doch dafür wird Kapital benötigt, das die Potenz der Genossenschaft übersteigt. Die Lösung? „Wir werden einen Fonds auflegen“, kündigt Heinz Laing an. Greenpeace goes business.
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