: Neues Programm gegen Obdachlosigkeit
Die städtischen Wohnungsunternehmen wollen jährlich 1.350 Wohnungen für Obdachlose zur Verfügung stellen
Der Senat will mehr gegen Obdachlosigkeit tun. Sozialsenatorin Gabriele Schöttler (SPD) stellte gestern ein neues Betreuungsangebot für von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen vor. Das bundesweit einmalige Programm wurde unter Beteiligung der Bezirksämter und der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege entwickelt, auch die Wohnungswirtschaft zieht mit.
Um den Verlust der eigenen vier Wände durch Mietschulden oder aus anderen Gründen zu vermeiden, sollen Betroffene professionell unterstützt werden. Ziel sei es, dass diese Menschen möglichst die eigene Wohnung behalten können oder – wenn dies nicht möglich ist – eine neue anmieten. Der Senat vereinbarte in einem neu abgeschlossenen Vertrag mit 16 städtischen Wohnungsunternehmen, dass jährlich 1.350 Wohnungen für die Vermietung an Wohnungslose bereitgestellt werden. Die Mieten übernehmen die Sozialämter. In Berlin leben nach Senatsschätzungen 2.000 bis 4.000 Menschen auf der Straße.
Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, dass weniger Menschen in Notunterkünften untergebracht werden müssen. Die Vereinbarung führe mittelfristig zu keinen finanziellen Mehrbelastungen der Bezirksämter, so Schöttler. Denn Unterbringungskosten entfielen.
Der Geschäftsführer der Berliner Wohnungswirtschaft, Wolfgang Bohleber, begrüßte die mit dem Senat geschlossene Vereinbarung. Mietschulden seien auch für die Wohnungsunternehmen ein großes Problem. Begrüßenswert sei zudem, dass die Betroffenen von Sozialarbeitern betreut werden. Denn viele Obdachlose seien „nicht wohnfähig“. Ein großes Problem sei jedoch, dass die Wohnungswirtschaft aus Datenschutzgründen Mietschuldner nicht beim Sozialamt melden dürfe. Das Amt wird meist erst eingeschaltet, wenn es zu Kündigungen kommt. Viele Wohnungsunternehmen seien indes dazu übergegangen, Mietschuldnern Informationsmaterial über Hilfsangebote und Beratungsstellen zukommen zu lassen.
Die Initiative findet auch bei Obdachlosen Zustimmung. Zwar seien die gut 1.000 Wohnungen zu wenig, aber ein Anfang sei gemacht, sagte gestern ein Sprecher der Obdachlosenzeitung motz. Hauptproblem für viele Obdachlose sei, überhaupt wieder ein geregeltes Leben zu führen. Deshalb sei die Betreuung der Betroffenen zu begrüßen. Allerdings wollten viele nichts mehr mit dem Sozialamt zu tun haben. RICHARD ROTHER
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