schnittplatz
: Endstation Talkshow

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, da machen selbst nicht ganz dem totalen Mainstream verdächtige Politiker keine Ausnahme. Und weil Gregor Gysi ohnehin – Wiederholungen sei Dank – für uns TV-Zuschauer längst über die wundersame Gabe der Bilokation zu verfügen schien und fast täglich in irgendeiner Talkshow zu sehen war, bleibt er jetzt einfach sitzen: Wenn der PDS-Fraktionschef im Bundestag Ende Oktober ebenjenen Job abgibt, will er auch eine eigene Talkshow, berichtet der Tagesspiegel.

Früher entsorgte man verdiente Politiker zu den Stadtwerken oder sonstigen deswegen ja auch so genannten kommunalen Versorgungsbetrieben, heute führt der Weg in den Vorruhestand eben durch n-tv.

Dort wäre Gysi ja auch in bester Gesellschaft: Lothar kommt „Späth am Abend“, Heinz Eggert – im vorigen Jahrhundert mal sächsischer Innenminister – talkt im „Grünen Salon“. Und weil man ihn das besser nicht allein machen lässt, ist Erich Böhme mit dabei, der auch im „Talk in Berlin“ so salbungsvoll-allwissend schwadroniert, als wäre er mindestens zwischendurch mal kurz Bundeskanzler gewesen. Produziert werden die Sendungen übrigens durchgängig von der Berliner Produktionsfirma AVE, einer Tochter des Holtzbrinck-Konzerns, mit der auch Gysi verhandelt.

Da loben wir uns unseren echten Bundespräsidenten a.D., der nur kurz das Bayerische Fernsehen beehrte. – Ja, auch die öffentlich-rechtlichen Sender können’s nicht lassen. Und Michel „Vorsicht! Friedman“ ist beim ORB am Start.

Auch der NDR überbrückt sein derzeitiges Moderatoren-Manko bei „extra 3“ mittels Polit-Strategie: Fünf Wochen führen Politiker durch die Sendung, und als besonderer Clou ist der Studiogast – na, was denn wohl? Genau: ein Journalist. Gestern wurde also CSU-Generalsekretär Thomas Goppel auf Süddeutsche-Edelfeder Hans Leyendecker losgelassen, am kommenden Donnerstag darf dann noch mal der Politiker Gregor Gysi ran. Sparringspartner (und das ist wirklich hübsch): Gerhard Löwenthal, der legendäre Leiter des ZDF-Magazins.

Und falls der Talkmaster Gysi noch einen Partner braucht: Joachim Gauck will nach seinem Abschied von der gleichnamigen Behörde auch zum Fernsehen. STEFFEN GRIMBERG