Schweden vertagt Ausstieg

Abschaltung des Reaktors Barsebäck 2 wird verschoben, weil zu wenig Energie gespart, zu wenig Geld in erneuerbare Energie investiert wird. Der Stromverbrauch dagegen stieg

STOCKHOLM taz ■ Die für Mitte 2001 geplante Abschaltung des zweiten Reaktors des AKWs Barsebäck wird aller Voraussicht nach verschoben. Laut einer Meldung des schwedischen Fernsehens einigten sich die Regierung mit zwei sie parlamentarisch unterstützenden Parteien. Grund: Im Atomkraftausstiegsgesetz ist als Bedingung für die Stilllegung festgelegt, dass die Stromleistung des 600-Megawatt-Reaktors durch „erneuerbare Energiequellen oder Energieeinsparungen“ ersetzt werden. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt.

Sie ist tatsächlich nicht erfüllt, weil die Regierung selbst keine Maßnahmen zur Energieeinsparung unternommen hat, die Stromwirtschaft sich weigert, in „erneuerbare Energiequellen“ zu investieren. Diese Untätigkeit hat auch mit dem europaweiten Stromüberschuß und den kräftig gesunkenen Strompreisen zu tun. Es rechnet sich ohne kräftige, langfristige Subventionen nicht, in Wind- oder Sonnenenergie zu investieren. Solche Subventionen hat Stockholm bislang nicht in Aussicht gestellt. Bei einem Kilowattpreis von umgerechnet knapp drei Pfennig, wie er auf der gemeinsamen Nordischen Strombörse in Oslo seit rund zwei Jahren der Mittelpreis ist, ist es in Schweden allein die Wasserkraft, welche ihre eigenen Kosten noch einbringt. Alle drei großen Stromerzeuger – Vattenfall, Sydkraft und Birka – haben in den letzten Monaten rote Zahlen geschrieben. Strom aus Atomenergie kostet je nach Alter des Reaktors und unter Einrechnung der speziellen Atomstromsteuer ein bis zwei Pfennig pro Kilowattstunde mehr, als der aktuelle Marktpreis.

Will sich Stockholm das Tempo beim Atomausstieg nicht von der Stromwirtschaft bestimmen lassen, bleibt so allein ein Kraftakt beim Energiesparen. Denn der tatsächliche Stromverbrauch stieg in den letzten 12 Monaten bis August 2000 um 3,8 Prozent auf 149 Terrawattstunden gegenüber dem vorangegangenen Vergleichszeitraum. Die Stromproduktion sank dagegen wegen der Billigeinfuhr um 7,3 Prozent auf 142 Terrawattstunden. Schwedens Atomausstieg scheint daher mangels einer tragfähigen Ersatzenergiekonzeption bereits nach der ersten Etappe Gefahr zu laufen, erst einmal wieder auf die lange Bank geschoben zu werden. REINHARD WOLFF