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Bei Anruf: Fahrrad

In München wird die Telefonzelle zum Fahrradverleih. Call a Bike beginnt sich zu etablieren. Schon 2.000 Velos im Einsatz. Um Kunde zu werden, genügt ein Telefonat. Abgerechnet wird nach Nutzungsdauer. Auch für Touristen attraktiv

Manche haben noch einen Koffer in Berlin. Ich habe ein Fahrrad in München. Genauer gesagt sind es 2.000 Stück, von denen einige an den Telefonzellen rund um den Hauptbahnhof stehen und darauf warten, dass ich mal wieder in die Stadt komme. Dort hingestellt haben sie für mich Christian Hogl und Josef Gundel. Die beiden Jungunternehmer sind die Gründer der Call a Bike AG, eines ganz besonderen Fahrradverleihs.

Der funktioniert so: Neben den Telefonzellen in der Münchner Innenstadt stehen seit April dieses Jahres 2.000 auffällig designte Acht-Gang-Räder. Wer sich eines von ihnen ausleihen will, muss zuerst Kunde von Call a Bike werden. Dazu genügt ein Anruf. Wer eine Kreditkarte besitzt, bekommt seine Kundennummer schon nach einer halben Minute. Wer seine Kontonummer nennt, bekommt einige Tage später eine Mark überwiesen und erhält die Kundennummer mit dem Kontoauszug. Für das Ausleihen genügt ein Telefonanruf bei Call a Bike. Über die Tastatur des Telefons wird die eigene Nummer und die des Callbikes eingegeben. Per Ansage erhält man dann eine vierstellige Nummer, mit der sich das elektronische Schloss des Fahrrads öffnen lässt. Und ab geht’s: zur Uni oder an die Isar, in den Englischen Garten oder zum Geschäftstermin.

Im Rechenzentrum von Call a Bike läuft derweil die Uhr. Das Ausleihen selbst kostet eine Grundgebühr von 1,80 Mark, jede Minute schlägt mit drei Pfennig zu Buche, ab der siebten Stunde nur noch mit einem Pfennig. Eine kurze Fahrt, etwa vom Hauptbahnhof zum bayerischen Landtag, kostet weniger als drei Mark und ist damit billiger als das U-Bahn-Ticket. Gesünder und bei schönem Wetter auch viel angenehmer ist die Strampelei mit dem Rad sowieso. Die Rückgabe ist schnell abgewickelt. Das Callbike wird in der Nähe einer Telefonzelle an eine Lampe, einen Fahrradständer, einen Baum oder ein Geländer gesperrt, das elektronische Schloss fragt, ob die Fahrt wirklich beendet werden soll, und spuckt bei Bestätigung einen Quittungscode aus. Den gibt man samt Kundennummer per Telefon an die Zentrale durch, die Uhr hört auf zu ticken, und der Betrag kommt auf die Rechnung, die einmal im Monat abgebucht wird, oder dann, wenn die Summe 20 Mark übersteigt.

Weil die Praxis meist etwas komplizierter ist als die Theorie, gibt es noch eine Reihe weiterer Spielregeln: Wer das Rad weit entfernt von einer Telefonzelle zurückgibt, muss den Standort durchgeben und bekommt eine kleine Gebühr in Rechnung gestellt. Ähnliches gilt, wenn das Gefährt jenseits der Stadtautobahn „Mittlerer Ring“ abgestellt wird. Denn in beiden Fällen muss es ein Serviceteam wieder zu einer geeigneten Telefonzelle bringen. Doch die meisten der inzwischen 25.000 Kunden halten sich an die Nutzungsbedingungen, sagt Pressesprecherin Brigitte Günther. Sie ist mit der bisherigen Resonanz sehr zufrieden. „Die Nachfrage ist höher als erwartet, und die Reaktionen unserer Kunden sind fast alle sehr positiv.“ Noch immer gebe es täglich etwa 300 Neuanmeldungen. Bleibt es dabei, könnte der Fahrradverleih noch in diesem Sommer die berechnete Wirtschaftlichkeitsgrenze von 50.000 Kunden erreichen.

Nur etwa drei Viertel der Callbike-Nutzer wohnen in München. Ein Fünftel kommt aus dem Umland, und fünf Prozent sind Touristen, auch aus dem Ausland. Die meisten Kunden liegen in der Altersklasse zwischen 18 und 35. „Wir haben aber auch eine Reihe von Rentnern, die fleißig ihre Runden drehen“, sagt Brigitte Günther. Knapp zwei Stunden dauert laut Statistik die durchschnittliche Ausleihzeit, am Wochenende ist sie etwas länger. Dann steigt, sonniges Wetter vorausgesetzt, auch die Nachfrage. „Unser Spitzenwert waren bisher 1.400 Ausleihen am Tag.“ Dann könne es auch vorkommen, dass nicht mehr an allen Telefonzellen Callbikes stehen. „Ansonsten verteilen sich die Räder relativ gut von selbst.“ Nur an den großen U-Bahnhöfen müsse man immer für Nachschub sorgen und am Hauptbahnhof. „Von dort wird erstaunlicherweise fast nur weggefahren.“ Auch bei den Nutzungszeiten gibt es klare Schwerpunkte: mittags, abends gegen sieben und zwischen ein und zwei Uhr nachts. Um ein Uhr stellt der größte Teil des ÖPNV seinen Betrieb ein, und nur auf den großen Linien verkehren noch stündlich Nachtzüge. Dann ist Call a Bike die preiswerte Alternative zu Taxis oder langen Fußmärschen.

Probleme mit Diebstahl hat der Verleih nicht. Dafür seien die Räder zu gut gesichert und auch zu auffällig, meint Brigitte Günther. Vereinzelt gebe es Fälle, in denen ein Rad für zwei, drei Tage verschwindet und dann plötzlich wieder auftaucht. Meist seien das Kunden, die das Bike zwar ordnungsgemäß abmelden, es aber nicht an der Telefonzelle stehen lassen, sondern mit nach Hause nehmen und es sich so für die nächste Fahrt quasi reservieren. Das lasse sich anhand der Daten ganz gut nachvollziehen. Ärgerlicher sei der Vandalismus, auch wenn es sich nur um Einzelfälle handle und man damit auch gerechnet habe. In einer eigenen Reparaturhalle sorgt ein Serviceteam von 18 Leuten dafür, dass Beschädigungen und platte Reifen schnell repariert werden. Dann kommen die Räder wieder an die wichtigsten Telefonzellen. Zum Beispiel an die am Hauptbahnhof. LEO FRÜHSCHÜTZ

Die „Call a Bike“-Hotline: 08 00/5 22 55 22, im Internet unter http://www.call-a-bike.de. Zur Anmeldung gibt man Name, Adresse und Kreditkartennummer an. Wer keine Karte hat, nennt seine Bankverbindung.

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