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„Keine Schweiz ohne Nestlé“

Die eidgenössische Volksinitiative, den Ausländeranteil auf 18 Prozent zu begrenzen, wird wohl scheitern. Auch die Unternehmen fordern Ablehnung

ZÜRICH rtr/afp ■ In der Schweiz wird am Sonntag über eine Initiative zur Begrenzung des Ausländeranteils auf 18 Prozent der Bevölkerung abgestimmt. Alle großen Parteien und die Wirtschaft bekämpfen die von kleinen Rechtsparteien und einigen Abweichlern der großen Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) auf den Weg gebrachte Vorlage.

Auch Top-Manager sprachen sich dagegen aus. Sie befürchten einen Imageschaden für das Land. Außerdem wäre die Ratifizierung mehrerer bilateraler Abkommen mit den EU-Staaten gefährdet. Eine Schweiz ohne Ausländer sei „eine Schweiz ohne Nestlé“ und ohne die Chemieunternehmen im Raum Basel, sagte der Schweizer Wirtschaftsminister Pascal Couchepin.

Die Initiative ist bereits die sechste ihrer Art innerhalb von 30 Jahren. Stets, zuletzt 1996, lehnten die Eidgenossen eine Neuregelung der Zuwanderung ab. Der Druck der Initiativen trug allerdings dazu bei, dass Regierung und Parlament Asyl- und Ausländergesetze mehrfach verschärften. Nach einer Umfrage wird das Volksbegehren auch diesmal mit 50 zu 29 Prozent scheitern. In der Schweiz leben 5,7 Millionen Eidgenossen und 1,38 Millionen Ausländer mit Dauergenehmigung. Dazu kommen noch Asylsuchende und Saisonarbeiter. Offiziell liegt die Ausländerquote bei 19,3 Prozent. In Deutschland beträgt der Satz 9 Prozent. Würde die Initiative angenommen, so müsste die Zuwanderung für zwei Jahre praktisch gestoppt werden. Die Wirtschaft könnte keine Fachkräfte mehr im Ausland anwerben, die im Hotel- und Gastgewerbe, aber auch am Bau und in Krankenhäusern gebraucht werden.

Die Initiative verstoße gegen die Menschenrechte und sei „im Kern“ ausländerfeindlich, so Justizministerin Ruth Metzler.

Bei der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der stärksten Gruppierung im eidgenössischen Parlament, empfahlen die Delegierten, gegen die Empfehlungen der Parteileitung, die Initiative anzunehmen. Christoph Blocher, der Wortführer des rechten Flügels der SVP, hält die Initiative zwar für den falschen Weg, die gegenwärtige Schweizer Ausländerpolitik aber dennoch für verfehlt.

Die Schweiz hat derzeit eine Arbeitslosenrate von 1,8 Prozent. Dennoch kam die Eidgenössische Kommission gegen Rasissmus unlängst zu dem Schluss, die fremdenfeindliche Grundstimmung habe zugenommen und werde „auch geschürt“.

Der rechnerisch hohe Ausländeranteil in der Schweiz ist durch die äußerst restriktive Einbürgerungspolitik verursacht.

Selbst für im Lande geborene Ausländer ist die Einbürgerung langwierig und teuer. Sie kann in einigen Kantonen bis zu 100.000 Franken kosten. Dazu kommt, dass in kleineren Gemeinden über Einbürgerungsanträge abgestimmt wird. Und da hat in letzter Zeit oft ein etwas exotisch klingender Name für eine Ablehnung ausgereicht.

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