: Um die Zukunft gepokert
Eine arg komplizierte Geschichte und viel buntes Durcheinander: Elmar Ottenthal scheitert mit dem ehrgeizigen und gewagten Klassik-Pop-Crossover „Falco meets Amadeus“ im Theater des Westens
von AXEL SCHOCK
So viel Erfolgsdruck auf einer einzigen Premiere gab es in der Berliner Theaterlandschaft schon lange nicht mehr. Im Herbst des vergangenen Jahres versprach der neue Intendant des Theater des Westens, Elmar Ottenthal, das Haus in der Kantstraße in eine neue, moderne und vor allem finanziell erfolgreiche Ära zu überführen. Wo sein Vorgänger Helmut Baumann auf eine Mischung aus Bekanntem, Innovativen, aus Musical und Operette setzte und zudem kaum eine Produktion länger als drei Monate auf dem Spielplan beließ, wagt Ottenthal mit Laufzeiten von einem halben Jahr ein Vabanque-Spiel. Bei den Übernahmen von „Rent“ und „Chicago“ ging das Spiel nicht auf. Das eine wurde nach knapp vier Monaten mangels Nachfrage abgesetzt, beim künstlerisch hoch ambitionierten „Chicago“ spielte man trotz Dumpingpreisen zu häufig vor fast leeren Rängen. Wenn das neue Stück nun nicht brummt, dürften Elmar Ottenthal und das Theater des Westen schweren Zeiten entgegensehen.
Die Spannung im Saal war nach spätestens fünfzehn Minuten weg. Der Abend bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Im Grunde hat Ottenthal bewundernswert hoch gepokert. Mit dieser Inszenierung musste der Hausherr und Regisseur zeigen, was in ihm steckt, und all seine großmundigen Versprechen eines „Crossover-Projektes“ von Klassik und Pop einlösen. Zweifel können aber schon beim Stoff kommen. Falcos Songs in Ehren. Zweifellos war er ein wichtiger und großer „österreichischer Popmusiker“. Aber ein musikalisches Genie dieses Jahrhunderts? Ebenbürtig mit Mozart? Diese Ikone der Achtzigerjahre? Wir wollen mal nicht vergessen: Auch Nena hatte mal einen Nummer-1-Hit in den US-amerikanischen Charts.
„FMA –Falco meets Amadeus“ will also nicht nur die Biographie des Johann Hölzl erzählen, die Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Egozentrikers, Junkies und manischen Musikers. Es will die Schicksale von Mozart und Falco verschmelzen, will gar eine „Faust“- und „Don Giovanni“-Paraphrase sein. Also ziemlich viel. Dafür hätte es zum einen eines brillanten, ideenreichen Regisseurs bedurft und vor allem eines nun wirklich genialen, intelligenten, geistreichen Buches. Dieses hier stammt allerdings vom alten Raubein Burkhard Driest, und jedem Besucher, der nach einmaligem Besuch der Show mir die Story in vier Sätzen sinnig nacherzählen kann, spendier ich ein Bier. Weil Falco ein Rapper war und der „Faust“ von Goethe stammt, versucht Driest es ihnen gleichzutun. Herausgekommen sind penetrante Knittelverse, die anfangs noch unfreiwillig komisch, später einfach nur noch peinlich sind. Da reimt sich „Lasagne“ auf „Kampagne“, „Wien“ auf „Indochin'“ und „Sinfonien“.
Kultursenator Christoph Stölzl schreckte in seiner Rede bei der Premierenfeier weder vor Molière noch vor Shakespeare zurück. Das wollen wir aber an dieser Stelle mal nicht zu ernst und wörtlich nehmen. Immerhin gestand er, dass er die Geschichte nicht immer verstanden habe. Das sei wohl der Trick: Man müsse mindestens drei Mal das Stück besuchen. So kann man's natürlich auch sehen. Denn in der Tat gibt es nicht nur so viele vermeintlich tiefsinnige Plattitüden, dass man mit dem Wundern gar nicht mehr nachkommt. Sondern vergessen wird darüber hinaus, die Handlung dramaturgisch zu entwickeln. Die ist kryptisch bis verquast. Schon die Grundidee des ganzes Stücks ist albern: Weil Falco im Karrieretief steckt, wird sein Tod nur vorgetäuscht, um so die Plattenverkäufe wieder anzukurbeln. Und auch an Logik mangelt es bisweilen: Falcos Frau bekommt ein dunkelhäutiges Kind – und unser schlauer Mann muss erst einmal einen Gentest vornehmen lassen, um herauszufinden, dass das Gör nicht von ihm stammt. So geht es lustig immer weiter. Sämtliche Figuren sind kühle Scherenschnitte, ihr Charakter bloße Behauptung. Gespielt wird immerzu ran an die Rampe und in einem szenischen Stilmix, der letztlich nur ein Gemischtwarenladen aus Bühnenbild- und Regieideen ist, aber niemals als durchgängiges Konzept durchscheint.
Worauf Verlass ist, das sind Falcos Hits. Die kommen akustisch ordentlich aufgemotzt und sauber interpretiert über die Rampe. Axel Herrig ist eine perfekte Besetzung. Er sieht nicht nur so aus, er hat den gleichen aasigen Blick drauf, und in der Stimme wie in der Sprechweise ist er seinem Vorbild verblüffend ähnlich. Ob „Rock Me Amadeus“, „Egoist“ oder „Coming Home“ – der Abend ist gerade in jenen Momenten stimmig und beeindruckend, in denen einfach nur Falco-Hits reproduziert werden.
Das dramaturgische Nebengleis Wolfgang Amadeus führt ohnehin alsbald ins Leere, wird kaum genutzt, schon gar nicht sinnig ausgereizt. So wäre es wohl sinniger gewesen, entweder ein reines Musical über den guten alten Wolfgang Amadeus oder aber eine Nummernrevue mit Falco-Songs zu produzieren. Nur dumm, dass es beides eben schon gibt: „Falc@ – a Cybershow“ und „Mozart!“. Beides in Wien.
Hinweis:Der Abend ist gerade in jenen Momenten beeindruckend, in denen einfach nur Falco-Hits reproduziert werden
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