: Bis zum Hals im braunen Wasser
Die Überschwemmungen in Südostasien bedrohen die Bevölkerung mit Flutwellen und Krankheiten
BANGKOK taz ■ Noch sollen Bangkoks Reservoire aufnahmefähig sein. Doch die Angst der Bevölkerung, dass die Flüsse und Kanäle der thailändischen Hauptstadt über die Ufer steigen, wächst mit jedem Tag, an dem die Regenfälle anhalten. Große Gebiete in Nord- und Zentralthailand sind bereits überflutet. Vor allem in Kambodscha und Vietnam sind von den gewaltigsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten inzwischen Millionen Menschen betroffen. Die Wassermassen des Mekong und anderer großer Flüsse der Region haben bereits eine Fläche überflutet, die etwa zweimal der Größe Deutschlands entspricht.
Mehr als 250 Menschen sind bislang ertrunken, mehr als 500.000 Häuser stehen unter Wasser. Bewohner ganzer Dörfer sitzen – nur mit Plastikplanen geschützt – auf Erddeichen, die zusehends mürbe werden. Flutwellen drohen in den nächsten Tagen auch die südvietnamesische Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt, das frühere Saigon, zu erreichen. Mediziner befürchten jetzt die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera und Dengue-Fieber. Taifune könnten die Situation zusätzlich verschlimmern.
Schon vor Wochen hat der Monsunregen eingesetzt und damit weitaus früher als gewöhnlich. So hat sich das Flussbett des Mekong, der von seiner Quelle in China bis zum Delta in Südvietnam insgesamt sechs Länder verbindet, schnell gefüllt. Das Meereshochwasser vor dem Mekongdelta in Südvietnam drückt die Fluten noch dazu ins Land zurück. Eigentliche Ursache des Unglücks ist nach Ansicht von Umweltschützern aber der Raubbau an den Regenwäldern in Südostasien. Erst in der vergangenen Woche veröffentlichte die Asien-Pazifik-Kommission der Vereinten Nationen (Escap) in Bangkok die vernichtenden Ergebnisse einer Studie: Seit Ende des Zweiten Weltkriegs ist der Anteil der bewaldeten Fläche in Asien von 70 Prozent auf rund 25 Prozent gesunken. Alte Bewässerungskänale und Flussläufe, die früher überschüssiges Wasser aufnehmen konnten, sind vielfach vernachlässigt oder zugeschüttet worden. Viel zu spät haben Länder wie Thailand die Abholzung verboten. Korruption und eine laxe Überwachung des Verbots führen dazu, dass bis heute kostbare Bäume auch in geschützten Nationalparks geschlagen werden. Die Folgen des Raubbaus stürzen nun mit den Fluten über die Köpfe der Menschen herein.
JUTTA LIETSCH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen