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Animierte Anatomie

Die taz führt an die wahrhaft bösen Orte dieser Stadt. Teil 9: Der Körper des Menschen  ■ Von Eberhard Spohd

Die Fahrt führt einen steilen Tunnel hinab, dessen Wände, in unvorteilhaftem Braun gehalten, in konvexen Blasen in den Weg ragen. Irgendwann öffnen sich die Wälle und gewähren einen Blick auf einen gallegrünen Raum, dessen Innenarchitektur stark an Kutteln erinnert. In der Tat endet der Weg durch die menschliche Speiseröhre im Magen noch vor dem Darmausgang. Dankenswerterweise unterbindet der Pförtner die Weiterfahrt. Man hat genug gesehen.

„Noch nie wurde eine dermaßen genaue 3D-Simulation des menschlichen Körpers entwickelt“, freut sich Professor Karl Heinz Höhne vom Institut für Mathematik und Datenverarbeitung in der Medizin (IMDM) des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE). Über 20 seiner Mitarbeiter haben in den vergangenen fünf Jahren einen Satz von Querschnitten so bearbeitet, dass der geneigte Betrachter einen drehbaren dreidimensionalen Einblick in die inneren Organe des männlichen Abdomens erhalten kann.

Nur des männlichen wohlgemerkt, denn Höhnes treuester Mitarbeiter ist eine Leiche. Ein texanischer Mörder hat 1994 seinen Körper der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Nach der Hinrichtung wurde seine Leiche in 1871 millimeterdünne Scheibchen geschnitten. Die daraus gewonnenen Bilder, die die Grundlage für das Modell bilden, sind so detailgetreu, dass man auf der Brust noch den tätowierten Drachen erkennen kann.

Doch nicht das Äußere interessiert die tapferen Anatomen vom UKE. Mitten hinein ins pralle Leben beziehungsweise ins tote Fleisch möchten die Wissenschaftler vordringen. „Der Mensch ist so komplex, dass es bislang noch keinen Bauplan von ihm gab, den ein Computer hätte berechnen können“, beschreibt Höhne den bislang unbefriedigenden Zustand. Jetzt sei es möglich, die Medizinstudenten am animierten Modell auf Niere, Leber und Lunge blicken zu lassen. Und noch weitere aufwühlende Möglichkeiten stellte Höhne in Aussicht. Einfache Operationen ließen sich bereits heute simulieren. Sobald sogar die Konsistenz der inneren Organe in die Software integriert sei, könnten sogar kompliziertere Eingriffe per Maus geübt werden.

Das Schönste aber ist: Das Computerprogramm ist frei erhältlich. Für 155 Mark wird der „VOXEL-MAN 3D-Navigator Innere Organe“ im Springer-Verlag publiziert. Auf Knopfdruck lassen sich Organe hinzufügen und wegnehmen. In 19 Szenen untersucht und präpariert der interessierte Laie anatomische Objekte im Brust- und Bauchraum. Endlich ist der direkte Vergleich möglich: Ist das da auf Opas Röntgenbild die Milz oder Krebs? So wird nicht nur der menschliche Körper transparenter, sondern auch der medizinische Fortschritt.

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