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Armchair Boogie

■ Eine Größe des US-Folk: Michael Hurley im Knust

Einer der Höhepunkte des Hamburger Cat Power-Konzerts vor ein paar Monaten war Chan Marshalls flüchtige Skizze des Michael Hurley-Stücks „Troubled Waters“. Ein Stück Weltschmerz vom tiefsten Grund des blauen Sees der Melancholie, das Marshalls Stimme zu einem glitzernden Kleinod schliff. Auf Hurleys zweiter Platte Armchair Boogie, 29 Jahre zuvor veröffentlicht, reibt sich die ruhige Tiefe des Lieds an der kratzigen Sprödheit von Hurleys Stimme. Ein Gegensatz, die viele seiner schönsten Songs, wie „Light Green Fellow“ oder „Twilight Zone“ zu langlebigen Begleitern gemacht haben.

Seit Michael Hurley 1965 mit First Songs in New Yorks Folk-Revival-Szene auftauchte, hat der Snockman oder Doc Snock oder Hi Fi Snock oder wie er sich gerade nennt, eine ganze Reihe dieser ebenso rauhen wie traurigen Folk 'n'Country-Songs aufgenommen, die nach feuchter Erde riechen und mit jedem Glas Wein besser werden. Dass seine Diskografie – bis zum heutigen Tag ohne Ausfälle – ihn nicht von den Veranda-großen Bühnen weggebracht hat, wurmt dabei seine Fans mehr als den Snock selbst. Wenn jemand seine Geschichten von Essen, Sex, Dope und anderen angenehmen Haupt- und Nebensächlichkeiten des täglichen Lebens hören möchte, dann trägt er sie auch in einer engen Küche vor. Mit einer Intensität und Inbrunst, die schaudern machen können.

Anders war das nur mal Mitte der Siebziger, als Hurley gemeinsame Sache mit seinen alten Freunden Peter Stampfel und Steve Weber, den Holy Modal Rounders, machte: Deren Elan gab der Musik Fülle und Drive und man konnte dazu tanzen. Und obwohl Have Moicy, die eine Platte dieser Zusammenarbeit, Michael Hurley bekannter gemacht haben dürfte als jede seiner Soloplatten, ist doch das Einzel seine Disziplin. Eine Gitarre, ein Klavier sind genug, und der richtige Snock-Song kann ein ganzes Publikum einsaugen.

Aber das Schöne an Michael Hurley ist eigentlich, dass er nicht nur traurige sondern auch verdammt spaßige Geschichten erzählen kann. Etwa, wenn er seine eigenen Songs mit knarzigen Krähenrufen durchbricht („Old Black Crow“) oder davon singt, dass wir früher oder später alle wie Affen aussehen werden. In solchen Momenten wird man wieder gewahr, dass hier ein Folk-Gelehrter für uns spielt, der eine Flamme weiterträgt, die nicht mehr viele Songwriter entfachen. Bei Michael Hurley brennt sie seit 35 Jahren hell und warm. Gregor Kessler

heute, 21 Uhr, Knust. Supp.: Peta Devlin & Ecki Heins

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