Kein schillernder Tag

Schill-Prozess: Zwei Staatsanwältinnen belasten den Angeklagten wegen seiner „Politik der Aktenführung“. Der wittert Intrigen  ■ Von Elke Spanner

Es war nicht sein Tag. Mit seiner Laune stand es nicht zum Besten, so missmutig hat sich Ronald Schill noch nie in der Öffentlichkeit gezeigt. Und dann begann Amtsgerichtspräsident Heiko Raabe seine Aussage auch noch mit der Ankündigung, dass er Schill nicht entlasten werde. Das aber hatte das Landgericht angedeutet, als es Raabe vorige Woche als Zeugen ankündigte.

Raabe hatte mit Schill am 31. Mai vorigen Jahres über dessen zögerliche Aktenbearbeitung gesprochen, kurz nachdem die beiden in Ordnungshaft genommenen Zuschauer, deren Beschwerde Schill drei Tage liegen ließ, wieder in Freiheit waren. Deshalb ist er nun der Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung angeklagt. Bisher habe er das nicht zu Protokoll gegeben, führte Raabe gestern aus, weil er das Gespräch für belanglos hielt.

Nach Lektüre der Berichterstattung über den ersten Verhandlungstag allerdings habe er vermutet, dass Schills Anwalt Walter Wellinghausen seine Verteidigung auf der strittigen Rechtsfrage aufbauen wolle, ob eine Ordnungshaftbeschwerde überhaupt „unverzüglich“ weitergeleitet werden müsse. Und nur weil er just über diese rechtliche Einordnung mit Schill diskutiert hatte, habe er nun das Gericht auf das damalige Gespräch hingewiesen.

Raabe gilt als Kritiker von Schill. Der versuchte gestern den Verdacht zu schüren, dass der Amtsgerichtspräsident als sein Kontrahent im Zeugenstand sitzt – und deshalb unglaubwürdig ist. Bisher hatte der Angeklagte sich im Prozess nicht zu Wort gemeldet, sondern seine Statements außerhalb des Gerichtssaales vor Fernsehkameras abgegeben. Nach Raabes Aussage jedoch zeigte Schill erstmals Nervosität – und griff zum Mikrofon. Er unterstellte seinem Vorgesetzten, dass dieser 1995 gegen ihn intrigiert habe. Bei einer Sitzung des Richtervereins habe Raabe die Frage gestellt, ob man Schill nicht, wie der es formulierte, „auf unlautere Weise loswerden könne.“ Das Gericht indes wies den Angeklagten in die Schranken: „Wir wollen nicht über Verhaltensweisen des Zeugen befinden, sondern über Ihr Verhalten.“

Über dieses sagten gestern noch weitere ZeugInnen aus – was Schills Stimmung nicht unbedingt steigerte. Die damals bei der Ordnungs-Inhaftierung anwesende Staatsanwältin sagte, Schill hätte die Eskalation durchaus vermeiden können. Und eine Oberstaatsanwältin berichtete von ihrem Eindruck, dass Schill noch am dritten Hafttag die Sache „sehr gelassen sah“. Beim gemeinsamen Mittagessen in der Gerichtskantine hätten einige RichterInnen hingegen ihren Unmut über Schills „Politik der Aktenführung“ geäußert: „Der Rechtsschutz der Bürger“, fasste die Oberstaatsanwältin gestern zusammen, „wird so unterlaufen.“

Schill habe die Verzögerung damit begründet, dass ein Protokoll noch ergänzt werden müsse und die Protokollantin nicht zu erreichen gewesen sei. Die allerdings hatte am Tag nach der Inhaftierung stundenlang darauf gewartet, dass Schill zum Dienst erscheint. Er kam erst am Nachmittag.