Montenegros Grenznachbarn auf der Hut

Die Regierung der Teilrepublik befürchtet Provokationen Milošević’, konnte aber dank der Wahlen ihre Position stärken

SPLIT taz ■ Während die Regierung Milošević zögert, ihre Niederlage in den überregionalen Wahlen anzuerkennen, steigt die Spannung im Teilstaat Montenegro. In den letzten Tagen warnte die Regierung des benachbarten Kroatien ihe Bürger davor, sich der montenegrinischen Grenze zu nähern. Zu Bosnien und der Herzegowina ist diese schon vor einer Woche von der Jugoslawischen Armee geschlossen worden. Die Milošević-treuen Paramilitärs, die sich im Lande befinden, warten nur auf den Befehl, zuzuschlagen. Nach Berichten von Gewährsleuten aus Podgorica werden sie durch die gefürchteten Einheiten des serbischen Innenministeriums verstärkt .

Die USA zeigen angesichts all dessen, dass sie die Kriegsgefahr in Montenegro weiterhin ernst nehmen: Seit Tagen kreuzen Kriegsschiffe der US-Flotte vor der Küste Montenegros. Grund für diese Maßnahmen an den Grenzen ist die Befürchtung, Milošević könne Provokationen gegen die in Montenegro lebenden Minderheiten der Bosniaken und Albaner veranlassen, um die Republik zu destabilisieren und zu testen, wie die von westlichen Militärs ausgebildeten Polizeitruppen der montenegrinischen Regierung reagieren.

Bei den Wahlen am Wochenende hatte die dortige Führung aus Protest gegen die von Slobodan Milošević im Juni verfügten Verfassungsänderungen zum Boykott aufgerufen. Somit schritten überproportional viele Milošević-Anhänger zu den Urnen. Trotzdem scheint sich sogar hier ein Sieg der serbischen Opposition abzuzeichnen.

Ein Anzeichen dafür ist in Belgrad das Rücktrittsangebot des aus Montenegro stammendenMinisterpräsidenten Jugoslawiens, Momir Bulatović. Milošević soll Bulatović dazu aufgefordert haben, weil dieser es nicht schaffen konnte, 100 000 Stimmen aus seiner Heimat für ihn zu mobilisieren. „Jetzt ist Schluss!“, untertitelten die Zeitungen in Montenegro gestern Milošević’-Portäts.

Gleichzeitig haben die Wahlen die Position der montenegrinischen Regierung unter Präsident Milo Djukanović gefestigt. Denn sollte Milošević trotz der Wahlniederlage weiter versuchen, im Amte zu bleiben, kann Djukanović nach dem zu erwartenden Resultat bald eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit seiner Republik von Jugoslawien wagen.

Da zudem die Jugoslawische Armee ihre Neutralität gegenüber dem Wahlausgang in Serbien erkennen ließ, könnte sich die Kriegsgefahr in Montenegro paradoxerweise sogar verringert haben. ERICH RATHFELDER