piwik no script img
taz logo

die stimme der kritikBetr.: Digitale Fälschungen in Hessen

Lernen von Väterchen Stalin

Dass der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in Wiesbaden eine Fälscherwerkstatt betreibt, ist Ihnen sicher schon bekannt. Dort wurden über Jahre hinweg Rechenschaftsberichte der Partei manipuliert: mit Rasierklingen, dem Sud alter Teebeutel der besonders wohlschmeckenden Sorte Kamille und einem für große Tintenkleckse konzipierten Spezialfüller. Das Frisieren von Kassenbüchern gehörte zum Alltagsgeschäft der bei der hessischen Union frei nach Georg Orwells Roman „1984“ „Wahrheitsbüro“ genannten unikaten Institution.

Doch damit noch nicht genug. Als der hessische Staatsminister in der Staatskanzlei, Franz Josef Jung, wegen dilettantischer Falschaussagen zurücktreten musste und daher auch seinen Weinkeller dort räumte, wurde dort endlich Platz für eine längst überfällige Dependance der alten Fälscherwerkstatt geschaffen. Man gründete eine neue Computer-Abteilung des „Wahrheitsbüros“, sodass jetzt auch die hessische Union Bilder im Internet aufbereiten kann. Geleitet wird die Spezialabteilung von der neuen Generalsekretärin der Partei, Otti Geschka.

Erste Erfolge sind bereits zu sehen: Auf der Homepage der Hessen-CDU verschwand schon einmal der Kopf von Franz Josef Jung aus einem Foto, das alle Minister der amtierenden CDU/FDP-Landesregierung zeigte.

Aus anderen Bildern nicht nur im Internet wird demnächst der alte Kanther operativ „herausgearbeitet“ werden, und die fleißigen Manipulierer von Koch und Geschka schwärzen digital auch schon den schwarzen Prinzen mit seinen schwarzen Kassen. Lernen von Väterchen Stalin.

Auf das „Wahrheitsbüro“ der hessischen CDU wartet also noch viel Arbeit. Kohl muss weg. Und Schäuble. Auch Weyrauch ist noch zu oft auf alten Bildern zu sehen. Dunkel- und Übelmänner überall. Und wann hört das alles endlich auf? Wenn Koch im hessischen Wahljahr 2003 mit einem knappen Verweis auf das digitale Fotoalbum der hessischen CDU endlich behaupten kann, ER alleine habe die Union erst im Jahre 2002 gegründet. Ist das dann die „brutalstmögliche“ Wahrheit? Ja. Wenigstens ganz sicher für Ruth Wagner (FDP). KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz zahl ich illustration
taz zahl ich

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – ohne Paywall. Das geht nur, weil sich viele Leser:innen freiwillig an der Finanzierung beteiligen und unseren kritischen Journalismus unterstützen. Sind Sie schon dabei? Unterstützen Sie jetzt die taz.