: Kinderbetreuung für die neue Mitte
Neues Unternehmen betreut Kinder von gestressten Eltern rund um die Uhr. Leisten kann sich das nur die Oberschicht
Wo steckt die allein erziehende erfolgreiche Unternehmerin ihre Kinder hin, wenn sie kurzfristig am Wochenende auf Geschäftsreise gehen muss? Natürlich ruft sie bei der „Kinderinsel“ an, die „anspruchsvolle Kinderbetreuung rund um die Uhr“ anbietet.
So lautet das Konzept, das die beiden Unternehmensgründerinnen Anita Drews und Gabriele Bergmann gestern der Öffentlichkeit vorstellten. Ihr Credo: „Die Hauptstadt braucht einen hochwertigen Service, der Kinder flexibel und pädagogisch anspruchsvoll betreut.“ Beruflich gestresste Eltern können ihre Sprösslinge den von der Kinderinsel engagierten 25 freischaffenden KünstlerInnen, MusikerInnen und internationalen PädagogInnen überlassen, die mit ihnen etwa ins Kindermuseum fahren. Anschließend geht es zum Indianerspiel an den Plötzensee. Nach vier bis sechs Stunden kehren die Kinder, so wird versprochen, „ausgeglichen und zufrieden“ wieder zu ihren Eltern zurück, die um 130 Mark pro Kind erleichtert werden. Sozusagen ein Abenteuerspielplatz de luxe mit Entspannungsgarantie.
Drews und Bergmann kamen als Mütter aus eigener Erfahrung auf die Idee mit der Kinderinsel und haben damit den Businessplan-Wettbewerb 1999 gewonnen. Ursprünglich wollten sie in einer Villa ein „Kinderhotel“ gründen. Bis das klappt, bieten sie ihren Service mobil an. Als potentielle Kunden schweben ihnen vor allem Kinder von internationalen Tagungsgästen, Diplomaten und Geschäftsleuten vor – Normalverdiener können sich ihren Service sowieso nicht leisten. Eine Gruppenbetreuung kostet 25 Mark pro Kind und Stunde, 24 Stunden Einzelbetreuung macht 425 Mark.
Geringverdiener fahren da schon besser mit städtischen Angeboten oder freien Trägern: Der Verein Selbst Hilfe Initiative Alleinerziehender (SHIA) betreut Kinder in ihrer häuslichen Umgebung, wenn die Kita oder der Hort geschlossen sind – auch nachts und am Wochenende. Die Stundensätze bewegen sich zwischen 1 und 5 Mark, dazu kommt eine Aufwandsentschädigung von 5 Mark pro Einsatz. Die Betreuung können allerdings nur Eltern in Anspruch nehmen, die nicht zu viel verdienen und im entsprechenden Viertel wohnen. Eines der drei SHIA-Projekte, das vor allem Prenzlberger Kinder betreut, ist wegen fehlender öffentlicher Finanzmittel bis mindestens Februar 2001 auf Eis gelegt. Auch das alternative Kinderhotel, das vor ein paar Jahren in der Pappelallee geplant wurde, hat nie die Betriebserlaubnis des Bauamtes erhalten.
Dennoch gebe es ein breites städtisches Angebot, ist der Sprecher der Senatsjugendverwaltung überzeugt. Die Kitas böten im Regelfall eine Spätbetreuung bis 19.30 Uhr an, die Abend- und Wochenendangebote seien jedoch wegen mangelnder Nachfrage in letzter Zeit zurückgeschraubt worden. Der Kinderladenvater Roland Kern sieht für das Betreuungsdilemma nur eine Lösung: „Alleinerziehende, die Karriere machen wollen und sich die Kinderinsel-Preise nicht leisten können, müssen einfach gute Freunde haben.“
SILVIA LANGE
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