: Der nationalistische Zyniker
Nicht ausgeschlossen: Ein Bündnis zwischen dem Demagogen Seselj und der ehrlichen Haut Kostunica
BELGRAD taz ■ Vojislav Seselj ist Anfang der Neunziger berühmt geworden mit der Aussage, er werden den kroatischen Ustaschi „mit einem verrosteten Löffel die Augen auslöffeln“. Zuerst galt er als Politclown, aber nach und nach gewann der geschickte Demagoge mit einem Mischmasch von ultranationalistischen und sozialen Parolen immer mehr Anhänger. Bei den serbischen Parlamentswahlen 1997 wurde seine „Serbische Radikale Partei“ (SRS) stärkste Einzelpartei in Serbien.
Formal gab sich Seselj als ein Oppositioneller aus, doch eigentlich galt er als das „Sprachrohr“ von Slobodan Milošević. Solange der nationalistisch und religiös gefärbte Bürgerkrieg rund um Serbien tobte, konnte Seselj seine Politik auf ungezügeltem Nationalismus erfolgreich aufbauen. Blut-und-Boden-Geschichten kamen im Volk gut an in einer Zeit, in der massenhaft Menschen ermordet und Städte zerstört wurden. Seselj gab sich als der Beschützer des Serbentums aus, ließ sich mit einem Maschinengewehr fotografieren, glorifizierte die Zerstörung von Vukovar und Sarajevo als heroischen Kampf.
Doch nie wurde man bei Seseljs wilden Sprüchen das Gefühl los, dass er ein zynisches Lächeln kaum verbergen kann. Er hatte jedenfalls den Ruf des begabtesten und listigsten Politikers in Serbien.
Seine Radikalen wurden immer mächtiger, bis zu dem Zeitpunkt, als er der Versuchung nicht widerstehen konnte, endlich an die Macht zu kommen. Milošević bot ihm eine Koalition sowohl in der serbischen als auch in der jugoslawischen Bundesregierung an, und Seselj griff gierig zu.
Dafür wurde er jetzt bestraft. Und blitzschnell verwandelte sich Seselj in einen überzeugten Demokraten, der mit einem schweren Seufzer, doch wie ein richtiger Sportsmann als erster Koštunica zum Sieg gratulierte.
Mit seinen Abgeordneten im serbischen Parlament hat Seselj ein gutes Kapitel zu Verhandlungen mit der DOS. Und Koštunica würde persönliche Ekelgefühle überwinden, wenn er glaubt, dass durch die Zusammenarbeit mit Seselj das Machtsystem Miloševićs abgebaut werden könnte. ANDREJ IVANJI
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