piwik no script img

Ungewöhnliche Schönheit

Jeder Deutsche gibt jährlich fast hundert Mark für Schnittblumen aus. Damit sind wir Spitzenreiter in Europa. Doch dass es so etwas wie fair gehandelte Blumen gibt, wissen die wenigsten, und das Flower Label Programm ist den meisten unbekannt. Verbraucher suchen eher edle Blüten als ein gutes Gewissen. Fair Trade-Rosen bringen beides

von CATHARINA RETZKE

Kaffee aus Nicaragua, Tee aus Sri Lanka – das sind die gängigen Fair Trade-Produkte. Jeder Wohltätigkeitsbasar bietet sie an. Aber Schnittblumen? Kein Dritteweltartikel, der sich aufdrängt.

Dennoch sah die Menschenrechtsorganisation „Food First Informations- und Aktionsnetzwerk“ (Fian) Handlungsbedarf. Schließlich kommen nur zwanzig Prozent der in Deutschland verkauften Schnittblumen aus heimischer Produktion. Der Rest wird hauptsächlich aus Holland importiert – und die Niederlande ihrerseits bekommen den Löwenanteil der Ware wiederum aus Südamerika und Afrika. Dort sind die Bedingungen für Mensch und Umwelt denkbar schlecht: Um den Markt satt zu bekommen, werden tonnenweise Pestizide auf den Feldern und damit auch auf den Arbeitern verteilt. Miserable Löhne, unsichere Arbeitsverträge, Kinder- und Zwangsarbeit sind die Regel. Vor zehn Jahren setzte sich Fian daher mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen an einen Tisch und erarbeitete das „Flower Label Programm“ (FLP), ein Übereinkommen mit Importeuren und Floristen. Seit Anfang 1999 haben sich in Afrika und Südamerika knapp fünfzig Plantagen, die vor allem Rosen und Nelken produzieren, dem Programm angeschlossen und müssen sich unabhängigen Kontrollen und Beschwerdeverfahren unterziehen.

Dafür dürfen sie ihre Blumen mit dem grünen FLP-Siegel versehen, das dem Verbraucher die Möglichkeit geben soll, bewusst menschenwürdig und umweltfreundlich produzierte Blumen zu kaufen. Aber will er das auch?

Spurensuche in Berlin. Auf dem Blumengroßmarkt prangt an fast jedem der Verkaufsstände das Fair Trade-Label. Auf Nachfrage stellt sich jedoch heraus, dass die wenigsten momentan FLP-Blumen führen. Der Grund: Wegen des hohen Dollarkurses sind die holländischen und deutschen Rosen zur Zeit einfach billiger. Erst im Winter, wenn in Europa die Saison vorbei ist, kaufen die Händler wieder Ware aus Übersee.

Roy Ramsaroop, Großhändler und Importeur führt als einer der wenigen die FLP-Blumen das ganze Jahr über. Er ist im Verband des Blumen-Groß- und Importhandels (BGI) aktiv und war auch beim Ausarbeiten des Flower Label Programms beteiligt. Denn mehrfach hatten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen zu Valentins- und Muttertag über die katastrophalen Bedingungen berichtet – eine denkbar schlechte Presse für die Blumenindustrie. Aus Angst vor Imageeinbußen beschloss man daher, sich an einem Fair Trade-Label zu beteiligen.

Heute ist Roy Ramsaroops Firma „Exotic Garden“ sogar Direktimporteur. „Wir hatten damals das Glück, mit einer der ersten Farmen, die sich dem Label angeschlossen haben, zusammenarbeiten zu können“, erinnert sich Ramsaroop. So kann er den Transportweg von Ecuador nach Berlin verkürzen und beliefert zusätzlich Großhändler in der ganzen Bundesrepublik. „Wir haben für den Direktimport eine sehr gute Logistik ausgearbeitet, haben dazu eigens ein Computerprogramm entwickelt“, sagt der studierte Nachrichtentechniker. Die Ware kommt morgens um sechs in Amsterdam an und kann bis abends in alle Teile Deutschlands gelangen, auch zu Kunden in Stuttgart, Köln und Hamburg. Weil er in den Niederlanden nur umlädt, spart er im Schnitt zwei Tage Transportzeit. Die Ecuadorrosen sind mittlerweile Rampsaroops Markenzeichen geworden. Allein in Berlin beliefert er momentan zweihundertfünfzig bis dreihundert Stammkunden. Ein Internetverkaufssystem soll demnächst hinzukommen. Expansion, die auch im Großmarkt sichtbar wird, wo „Exotic Garden“ seine Verkaufsfläche seit 1993 von zwanzig auf 325 Quadratmeter erweitern konnte.

Die Einzelhändler entscheiden sich aus verschiedenen Gründen für FLP-Blumen. Zum einen sind es ethische Überlegungen. „Ich denke, man sollte schon darauf achten, woher die Blumen kommen“, sagt Dieter Schönherr von Blumen-Bleibtreu in Berlin, „ich kaufe auch gern bei Gärtnern, wo sie Behinderte und gestrauchelte Jugendliche beschäftigen, weil ich weiß, dass man da den Leuten helfen kann.“

Andererseits ist mit den Ecuadorrosen aber auch guter Umsatz zu machen. Sie sind bei den Kunden wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit beliebt: Die Farbpalette reicht von zartem Creme bis dunkelrot, fast schwarz, und die Blüten sind fast viermal so groß wie bei heimischen Rosen. Auch halten sie länger und blühen besser auf, bestätigen Händler, die FLP-Ware beziehen.

Und der Preis? Natürlich sind die Rosen mit vier bis sechs Mark pro Stück erheblich teurer als ihre holländischen Schwestern. „Aber wenn Sie sich das Preisleistungsverhältnis ansehen, kommen Sie damit mindestens genauso gut weg, weil eine kleine Rose auch schon eine Mark fünfzig kostet“, findet Dieter Schönherr. Manchmal zucken die Kunden im ersten Moment zusammen, wenn sie den Preis erfahren. „Aber wenn man ihnen das erklärt, dann kaufen die das schon gern“, hat Gerd Pogrzeba von Blumen-Kilian festgestellt. Zu schaffen macht aber auch ihnen der hohe Dollarkurs. „Wir bewegen uns bereits jetzt an der obersten Grenze dessen, was die Leute bezahlen, teurer können wir nicht verkaufen“, sagt Pogrzeba. Er hofft, dass es nicht zu einem weiteren Preisanstieg kommt. Denn schon haben Billiganbieter die Zeichen der Zeit erkannt. „Früher war das einfacher, weil nicht viele Läden diese großen und schönen Rosen hatten. Heute kaufen manche Händler die Ware zu unglaublich günstigen Preisen in Amsterdam auf der Blumenversteigerung ein, da können wir nicht mithalten.“

Explizit nachgefragt werden die fair gehandelten Blumen bislang selten. „Der Großteil der Leute kaufen die Rosen nach dem Aussehen“, so Dieter Schönherr. Aber seit der kritischen Berichterstattung in den Medien kämen auch schon mal Leute vorbei, die genau diese Blumen kaufen möchten.

Dass es immer mehr solche Leute gibt, dafür will Fian sorgen. „Besonders am Valentins- oder Muttertag versuchen wir, die Leute mit Informationsständen in Blumenläden über die Bedingungen und das Label aufzuklären“, erklärt Steffi Knoth von Fian-Berlin. Denn oft sind die Menschen misstrauisch, weil sie das Logo nicht kennen und fürchten, reingelegt zu werden. Doch wenn sie die Kontrollmechanismen des FLP erklärt bekommen, seien die meisten sehr interessiert, sagt Knoth. Das Bewusstsein zu schärfen sieht sie als Hauptaufgabe an.

Doch nicht alle Blumenläden können sich die schönen, aber teuren Rosen und Nelken leisten. „Wir haben momentan solche Rosen nicht im Sortiment, weil sie sehr teuer sind. Der Laden muss eine Kundschaft haben, die sich das leisten kann“, berichtet Susanne Hirschel, die ihr Geschäft in der Leipziger Straße im Osten der Hauptstadt betreibt. Dass sich auch in der täglichen Arbeit mit den Blumen Unterschiede zeigen, hat Sabrina Kucharczyk von Blumen 31 festgestellt. „Wenn man sich an diesen Rosen verletzt, bekommt man nicht so schnell Entzündungen wie früher.“ Weil weniger Pestizide verwendet werden? „Wir sind ein Spezialgeschäft für Rosen, und das sind einfach die schönsten auf dem Markt“, sagt sie. Dass sie besser für die Hände sind, haben sie und ihre Mitarbeiterinnen erst beiläufig festgestellt.

CATHARINA RETZKE, 26, ist Hospitantin beim taz.mag. Ihre Liebe zu Blumen wurde von Kindesbeinen an gefördert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen