: Blueszerstörer im Hawaiihemd
■ Taj Mahal und „Phantom Blues Band“ begeisterten im Schlachthof
EineR mehr – und die Kesselhalle des Schlachthofs wäre aus den Nähten geplatzt. Kam aber keineR mehr; so blieb die Halle dicht und die, die drin Platz gefunden hatten, erlebten eines der denkwürdigeren Konzerte der „Sparkasse in concert“-Reihe.
Taj Mahal war da. Mal wieder, ist das US-Bluesdenkmal im 40sten Jahr seines Schaffens doch wahrlich kein seltener Gast in der Hansestadt. Trotzdem gab es eine Premiere zu bestaunen: Mahal spielte erstmals mit seiner Stammformation „The Phantom Blues Band“ aus Los Angeles. Ein hochkarätiges Sextett mit Namen wie Tony Braunagel, der in seiner Karriere von Jimmy Reed bis B.B. King für so ziemlich jede Bluesgröße die Drumsticks rührte, oder Denny Freeman, der in den 70ern mal eben Stevie Ray Vaughan in Texas das Gitarrenspiel beigebogen hat.
Den Sommerurlaub muss Mahal mit James Brown und Little Richard bei Captain Beefheart verbracht haben: Funk, Rock'n'Roll und Blues feierten ein hinreißendes gemeinsames High-Energy-Fest, zu dem der ständig tänzelnde Zeremonienmeister röhrte, was die kratzigen Stimmbänder hergaben. Nie einen dicken Mann derart sexy die Hüften schwingen sehen! Strom, weiß ich jetzt, ist nicht gelb: Strom ist schwarz, trägt Sonnenbrille, Hut und kunterbunte Hawaiihemden.
„It's dance-music“ formulierte Taj Mahal früh das Motto, das im Laufe der anderthalb Stunden immer mehr ZuschauerInnen beim Wort nahmen. Zu schmutzig gespielten Coverversionen von Funk-Klassikern wie „Think“ gesellten sich immer wieder Ausflüge zum Grammy-geadelten '97er Album „Señor Blues“. Vor allem die Interpretation des Titelstücks glich einer musikalischen Offenbarung: Sieben Herren ritten souverän durch hundert Jahre Black-Music-Historie, alle Musikstile trafen sich da gleichzeitig auf der Bühne, derweil Saxophonist Joe Sublett und Trompeter Darrell Leonard unnachgiebig Riff und Riff von der Bühne pusteten und Taj Mahal sein Heil als grantelnder, stöhnender und bellender Shouter suchte. Die totale Blues-Zertrümmerung, bei der die Band mitsamt Leader alle Rhythm'n'Blues-Traditionen hemmungslos zu Brei schlug, der dem musikalischen Untoten mit Namen „Blues“ aber bestens bekam. Vom Instrumental-Intro „Honky Tonk“ bis zur Zugabe „I need your lovin every day“ demonstrierten Mahal & Band, welche Innovationen im Blues möglich sind, wenn ein kreativer Kopf und hervorragende Instrumentalisten zueinander finden.
Eine Zugabe mehr – und die Kesselhalle wäre am Ende doch noch explodiert. Kam aber keine Zugabe mehr. Noch mal Glück gehabt. zott
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen