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Das Pavillonuniversum

So schön kann Fernsehen sein: Täglich sorgt das „Expo-Magazin“ des NDR-Fernsehens für mächtig Aufregendes von der Weltausstellung. Und entpuppt sich ganz nebenbei als Quell großer Heiterkeit

von FRITZ TIETZ

Dass die Weltausstellung von Hannover trotz endzeitlicher Besucherströme eine eher düstere Sache ist, beweist ein Blick ins Gesicht ihrer Chefin. Trotzdem: Die Expo hat auch ihre komischen Seiten, wenn auch vorrangig der unfreiwilligen Art. Die unfreiwilligste ist zweifellos das „Expo-Magazin“, das täglich im NDR-Fernsehen (N3) punkt 13.00 Uhr (sonntags um 15.30 Uhr) für Heiterkeit sorgt.

Dabei macht das „Expo-Magazin“ einen zunächst eher bräsigen, weil sehr öffentlich-rechtlichen Eindruck: dieses gläserne Studio, diese ganze hingemurkste Modernität, diese verwackelten Einspielfilme. Wenn man jedoch erlebt, wie Moderatorin Hanna Legatis einen Beitrag abmoderiert, indem sie mehrmals kräftig in die Hände klatschend „Aufwachen! Hier ist das Expo-Magazin!“ ruft, ahnt man: Das kann ja noch heiter werden. Und das wird es dann auch.

Tatsächlich entfaltet sich im „Expo-Magazin“ eine Welt, wie sie ähnlich kurios bisher vielleicht nur in „Monty Python’s Flying Circus“ existierte: Eine Art Parallel- bzw. Pavillonuniversum, darin überwiegend bizarre Persönlichkeiten an mitunter bestürzend merkwürdigen Orten äußerst seltsame Dinge tun, die einen jedoch nicht selten in schallendes Gelächter ausbrechen lassen. Kein Wunder, wenn, wie’s im „Expo-Magazin“ mit verblüffender Selbstverständlichkeit geschieht, ganz normale Messehallen plötzlich „Themenpark Gesundheit“ oder „Forum Wasserwelten“ heißen oder ein mäßiger Ringelpiez als „Länderwoche Sachsen-Anhalt“ und irgendein fadenscheiniger Budenzauber gar als „Nationentag“ daherkommt.

Und natürlich Nina Mahler oder Olaf Kaune nicht zu vergessen, jene, wenn schon nicht rasenden, so doch rasend komischen Expo-Reporter, die schon mal barfuß durch ein Wassertretbecken staksen, um anschließend, und dabei mit allen verfügbaren Augen zwinkernd, zu erklären, hier würde ja wohl das Wasser mit Füßen getreten. Spätestens dann möchte man sich doch glattweg erbrechen vor Begeisterung.

Olympischer Humor

Überhaupt gibt es kaum eine Begebenheit, die das „Expo-Magazin“ einigermaßen humorfrei zu präsentieren versteht. So auch die Eröffnung neulich der Olympischen Spiele „in Australien“, wie man im „Expo-Magazin“ zu sagen pflegt, obwohl bloß der australischePavillon gemeint ist: „Höllenstimmung!“, schrie da die Expo-Reporterin Sandra Rost, die zur Feier des Tages ein komplettes Siegerpodest auf dem Kopf trug. „Wir haben Glück, die olympische Fackel“, zeigte sie sich dann vollends entrückt angesichts eines Besuchers, der eine – allerdings flammenlose – Spielzeugfackel in der Hand hielt. „Why without fire“, krakeelte sie daraufhin den Fackelträger an, worauf der „I don’t know“ sagte. „Er weiß es nicht“, brüllte Frau Rost da, „aber wunderbar, trotzdem eine wunderbare Geste.“

Zu noch wunderbareren Gesten sind allein die „Expo-Magazin“-ModeratorInnen selbst fähig. Neben besagter Hanna Legatis, einem langgedienten TV-Dino, tut sich da vor allem eine Sabine Steuernagel hervor. Eine Frau von unbestimmbarem Alter, aber unglaublich großer Lockerness – so locker eine Frau eben sein kann, die statt einer Wirbelsäule offenbar einen stacheldrahtumwickelten Besenstil im Rücken hat. Vor allem sie sorgt immer wieder für höchste Pointendichte im „Expo-Magazin“: Die Verabschiedung ihres Studiogastes Friedrich Schorlemmer (Steuernagel: „Wer Friedrich Schorlemmer sagt, denkt Martin Luther!“), ragte da besonders heraus: „Ich glaube, genau das isses, was Sie so vehement tun“, fuhr sie dem verdutzten Wittenberger vehement in die Parade: „Gedanken anbieten, die man selber aufgreifen kann. Was mach ich da draus, was mach ich damit . . . Ich danke Ihnen, dass Sie da waren.“

Werbezeit inklusive

Dankbar muss man auch Ulrich Neufert sein. Der stellvertretende Chefredakteur der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) war ebenfalls bei Frau Steuernagel zu Gast und nutzte die Gelegenheit, um die Weltöffentlichkeit von der Existenz des Expo-Journals zu informieren, das von Herrn Neuferts Zeitung herausgegeben und – wie es sich für ein die Weltausstellung begleitendes Journal aber eigentlich auch gehört – überall erhältlich ist: nämlich außer als Beilage in der HAZ und der ebenfalls in Hannover erscheinenden Neuen Presse, auch noch in der Hildesheimer, der Schaumburger, der Stadthagener und natürlich auch der Peiner Allgemeinen.

Nicht zuletzt da schwante einem, dass es sich bei der Expo wohl weniger um eine Welt- denn eine Weltniveauausstellung handeln muss. Auf allerkomischstem Niveau, wovon man sich, dem „Expo-Magazin“ sei Dank, nicht nur in Peine und Umgebung, sondern darüber hinaus auch noch bis Ende Oktober täglich überzeugen kann.

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