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Keine hölzerne Hochzeit

Trotz eines europäischen Spitzenplatzes: Die Gelben Seiten müssen sich endlich wieder auf alte Qualitäten besinnen  ■ Von Eberhard Spohd

Telefonbücher haben Konjunktur. Selbst Ober-Kritikaster Marcel Reich-Ranicki ist sich zu schade dafür, als Werbemodel die magenta-weißen Auskunftswälzer plakatwandfüllend zu besprechen. Doch die Konkurrenz kommt aus dem eigenen Haus: Die Gelben Seiten haben den Telekom-Folianten imagemäßig schon längst den Rang abgelaufen. Vor allem in Hamburg.

„Die höchste europäische Auszeichnung für Langzeitmedien, der EADP-Award des Europäischen Verbandes der Adressbuch- und Datenbankverleger“, so erreichte uns jüngst eine Pressemitteilung, „geht auch in diesem Jahr nach Hamburg: Die Fachjury wählte die Gelben Seiten erneut unter mehr als 100 europäischen Telefon- und Branchenbüchern auf den ersten Platz.“ Unser herzlicher Glückwunsch dafür geht zu gleichen Teilen an die Dumrath & Fassnacht KG und die DeTeMedien GmbH, die alljährlich das 1300-seitige Kompendium herausgeben.

Vor allem das Journal, das dem eigentlichen Branchenteil vorangeht, hat es den Juroren angetan. Hier erfährt der Verbraucher alles Wesentliche über die Hansestadt. Vom Behördenwegweiser über eine Aufstellung vieler wichtiger Beratungs- und Auskunftstellen bis hin zu Frequenztabellen für Fernseh- und Rundfunkempfang – hier gesucht heißt schon gefunden, wie die Publizisten schon vor Jahren ihr Produkt bewarben. Ergänzt wird dieses hanseatische Kompendium von einem Gastroführer und einem Stadtplan, der auch über die Blitzampeln dieser Stadt Auskunft gibt.

Und genau da beginnen die Probleme. Warum, um Himmels Willen, gewinnen die Gelben Seiten Hamburg Jahr für Jahr diesen Preis, wenn die Qualität immer schlechter wird? Wo sind all diese Rubriken hingekommen, mit denen sie immer wieder erfreuten? Nicht dass in den letzten Jahren eine Sturmflut Wilhelmsburg unter Wasser gesetzt hat. Dennoch konnte man sich darauf verlassen, Evakuierungspläne und Deichschutzmaßnahmen auf den einleitenden Seiten zu finden. Verträumt konnte man sich über die Seiten beugen, von potenziellen Katastrophen schwärmen und seine eigene Rolle als Held und Retter vor dem inneren Auge entstehen lassen. Vorbei die Zeiten.

Ebenfalls ausgefallen ist die Rubrik Heirat. Auch wenn man selbst keine matrimonialen Pläne hatte, war doch die Checkliste der Hochzeitsvorbereitungen ein alljährliches Must. Außerdem machten die Gelben Seiten schlau: Woher sonst sollte ein Mensch wissen, wann die Petersilien- oder die hölzerne Hochzeit gefeiert wird.

Auf diese alten Qualitäten müssen sich die Gelben Seiten wieder besinnen. Ach, höre ich da die Firma Dumrath & Fassnacht stöhnen, für diese Themen lassen sich so schlecht Anzeigen akquirieren. Dann werden wir auf diese Rubriken eben in Zukunft verzichten müssen.

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