: Eiskobold auf Bohlen
Kindertheater, historisch und räuberartig ■ Von Oliver Törner
Statt „Wir werden immer größer“ könnte das vierte Festival der Hamburger Kindertheater auch heißen „Wir lassen nicht locker“. Denn wenn vom 6. bis 13. Oktober 19 Akteure aus elf Gruppen 13 Stücke im Fundus Theater präsentieren, so folgt das keinem biologischen Automatismus. Es ist vielmehr Ausdruck jahrelangen Beharrungsvermögens, sich von knappen öffentlichen Förderungen nicht beirren zu lassen.
Zwischenerfolge der personell weitgehend konstant gebliebenen Schauspiel- und Figurentheater-Ensembles sind die seit zwei Jahren auf 200 000 Mark festgeschriebenen Gelder aus dem städtischen Topf zur Förderung freier Gruppen. Und das verbesserte finanzielle Rückgrat des Fundus Theaters, das sich als Spielort mittlerweile gut etablieren konnte.
Dazu kommt verstärkter überregionaler Erfolg. Immer häufiger stehen Festivals und Auszeichnungen auf dem Programm oder Tourneen führen sogar ins Ausland. So kehrten erst vor kurzem Christiane Richers, Morena Bartel und Cordula Nossek vom Internationalen Theaterfest Korczak 2000 aus Warschau zurück. Dort trafen sie beim Zielpublikum ab zwölf Jahren mit Ein Sommer von Aviha auf ungewohnte Diskussionsbereitschaft. In dem Stück erinnert sich eine Frau an ihre Mutter, eine polnische Widerstandskämpferin, die im KZ war und später in Israel in einer Nervenheilanstalt landete. Eine intensive Konfrontation mit dem Konflikt zwischen Holocaust-Überlebenden und ihren Nachkommen.
Euphorisch gefeiert wurden vor wenigen Tagen Judith Compes und Sabine Dahlhaus mit ihrer Urselbeim internationalen Festival Starke Stücke in Frankfurt/Main. In humorvollem Doppel zeigen sie die Nöte eines Mädchens, das einmal so wichtig sein will wie ihr längst gestorbener Bruder. Was liegt näher, als sich tot zu träumen und die trauernde Familie zu beobachten.
Als Premiere zeigt das neue Theater Trabant Der Traumdieb (ab 7 Jahre). Regisseur Erik Schäffler – mit dem Theater Triebwerk mehrfach ausgezeichnet und demnächst dank Goethe-Institut auf Indien-Tournee – verspricht bei dieser Umsetzung eines Bilderbuchs von Rafik Schami „Situationskomik und Gänsehaut“. Den nächst Jüngeren widmet sich die Gruppe Breckekekex. Mit Jonnys Seemannsgarn will Frank Puchalla Sechsjährige einspinnen. Dabei verwandelt er Bühnenbretter zu Schiffsbohlen, über die Eiskobold und Seeräuber flitzen. Und zusammen mit Uwe Schade am Cello entführt er äußerst virtuos in die Märchenwelt des viel gescholtenen Zwerg Nase.
Der größte Teil der Festivalstücke richtet sich an Zuschauer ab 4 Jahre. Das Theater Mär zeigt seine neueste Produk-tion, Die Königin der Farben mit wundervollen Licht- und Farbeffekten nach Jutta Bauers gleichnamigem Bilderbuch. Endgültig zum letzten Mal bringt Theater Zeppelin sein seit Jahren erfolgreiches Das kriegen wir schon gebacken. Zwei Bäckergesellen müssen Erfin-dungsgeist beweisen. Das Ergebnis kann gekostet werden.
Einen ganz deutlichen Schwerpunkt bei den jüngsten Zuschauern setzen die Figurentheater. So wird Der kleine Garnix vom Tandera Theater ins Leben gerufen. Diese wohl am meisten produzierende Gruppe setzt sich auch mit den Folgen auf den Wunsch Ich will eine Katze auseinander. Das Holzwurm Theater entführt in Tommys Traumreise auf einen fantastischen Leuchtturm. Das Eckerken Theater lädt zum Besuch im Mauseloch. Mit seinen farbenprächtigen Stabpuppen beschwört das Theater Ambrella in Der kleine Muck einen märchenhaften Orient. Und als Festivalneuling erklärt das Dorftheater Siemitz Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte.
Ein Sommer von Aviha: 11.10., 10 + 12.30 Uhr, 12. 10., 10 Uhr; Ursel: 8.10., 17 Uhr; Der Traumdieb: 6.10l 16 Uhr, 9.10., 10 Uhr, Jonneys Seemannstarn: 12.10., 15 Uhr, Zweerg Nase: 13.10., 16 Uhr, Die Königin der Farben: 8.10., 11 Uhr; Das kriegen wir schon gebacken: 10.10., 16 Uhr, Der kleine Garnix: 6.10., 10 Uhr, Ich will eine Katze: 11.10., 16 Uhr, Tommys Traumreise: 7.10., 16 Uhr, Besuch im Mauseloch: 13.10.,10 Uhr, Der kleine Muck: 9.10., 16 Uhr, Wie Kater Zorbas der kleinen Möwe das Fliegen beibrachte: 10.10., 10 Uhr,Fundus Theater, Hasselbrockstr. 25, Karten-Tel. 250 72 43
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