Luther und Lerchenvögel

■ Das „Gesamtwerk“ des Bremer Straßenlexikons ist da, enttäuscht jedoch durch Oberflächlichkeit / Hobby-Historikerin Monika Porsch bekam trotzdem eine Medaille

Zwölf rote Rosen, eine Ehrenmedaille der Stadt, ein Glas Brombeermarmelade: Mehr als fünf Jahre hat Monika Porsch am „Bremer Straßenlexikon“ gearbeitet. Gestern wurde die 46-Jährige für ihr zwölfbändiges „Gesamtwerk“ geehrt. Der Präsident der Bremischen Bürgerschaft, Christian Weber, verlieh der Hobby-Historikerin das Bremer Stadtsiegel und erklärte ihr Lexikon zur Pflichtlektüre. Dabei ist die Entstehungsgeschichte der Buchreihe bemerkenswerter als der oft dürftige Inhalt der einzelnen Lexikonartikel.

„Och, das krieg' ich schon irgendwie hin“, habe sie in die Runde geworfen, als man Mitte der 90er Jahre im Kulturverein „Freizeit 2000“ über das Vorhaben diskutierte, erinnert sich Monika Porsch. Gesagt, getan: Die Verlagskauffrau machte sich auf die Pirsch, ging ins Staatsarchiv, besuchte Behörden, sprach mit Bürgern und Kulturini-tiativen. Das Ergebnis: Zwölf schmale Büchlein, die zusammengelegt etwa die Ausmaße eines größeren Saftkartons erreichen. Eben ist Band 12 erschienen, wie seine Vorgänger im Selbstverlag, 120 Seiten, komplett von der Autorin getextet und gestaltet. Mehr als 18.000 mal sollen die Büchlein schon verkauft worden sein. Eine große Lücke in der 1000-jährigen Stadtgeschichte sei damit geschlossen worden, so die Pressestelle der Bürgerschaft.

Darüber kann man streiten. Zu den mehr als 5.000 Einträgen gehören eine große Zahl meist öder Kurzbiografien so genannter verdienter Persönlichkeiten. Pädagogen, Schiffbauer, Fabrikanten, Politiker – alles lange verstorbene Bremer, die man nach ihrem Tode auf Straßenschildformat gebracht hat. Dazu kommen zahlreiche – leider zu kurz geratene – kulturgeografische Erläuterungen, die auf ehemalige Kuhweiden, Zollgrenzen, winkelige Felder und ähnliche Namenstraditionen verweisen.

Man erfährt auch, dass die Lerchenstraße nach dem Singvogel Lerche benannt wurde: „Die Lerchen leben als Bodenvögel, sind ausgezeichnete Sänger, und ihr Gefieder ist überwiegend tarnfarben“. Und Luther? „Er starb am 18.2.1546 an einem Herzleiden in Eisleben“. Topogr. Lage: von Lüssumer Straße bis Wigmodistraße. Wozu diese Informationen?

Bei der Feierstunde im Präsidentenzimmer der Bürgerschaft war viel von Identitätsstiftung die Rede. „Ein bisschen Heimatgeschichte“, nennt das Bürgerschafts-Präsident Weber. Der Kunsthistoriker Ulf Fiedler freute sich, dass man mit dem Straßenlexikon „ein Stück handfeste Vergangenheit“ vor sich habe, „und das ist gut so“. Das Lexikon bietet aus seiner Sicht so etwas wie „Fast food“, um sich der Historie der eigenen Stadt anzunähern. Er beschrieb „die Geschichte“ als eine Art Gegengewicht zur sich schnell verändernden Welt der Gegenwart. Keine eben moderne Auffassung, möchte man meinen. Sondern: Nostalgie und Heimatkunde, mit wahrem Bieneneifer zusammengetragen.

Das „handfeste Stück Vergangenheit“ hat überdies seine Tü-cken: Das Straßenlexikon ist alles andere als fertig, weil jedes Jahr neue Straßen „erfunden“ werden müssen. Die Arbeit für Hobby-His-torikerin Porsch ist also noch nicht zu Ende. Sie ruft die Bürger sogar dazu auf, sich selbst neue Straßennamen auszudenken. Ihr Vorschlag: An der Uni müsste doch eigentlich eine Lew-Kopelew-Straße eingerichtet werden.

Die geborene Bremerin Porsch will, dass „die Menschen nicht verloren gehen“, weder die großen noch die kleinen. Das Glas Brombeermarmelade hat sie übrigens vom Hollerland-Schützer Gerold Janssen geschenkt bekommen, der sie wie viele andere bei der Recherche unterstützt hat. hase