Tanz auf dem Vulkan

Einstieg ins Aktiengeschäft: Leichter gesagt als getan. Jeder dritte Deutsche will Neuemissionen zeichnen. Gefahren der Aktienanlage

von MICHAELA KLEINE

Aktienhandel an der Börse – damit verbinden viele Leute in erster Linie hektische Menschen, die wild gestikulierend „Kaufen“ oder „Verkaufen“ rufen und am Abend ihren Arbeitsplatz mit einer Unmenge von Papierzetteln auf dem Boden zurücklassen. Gleichzeitig ist mit der Börse aber besonders eines verbunden: der Traum vom großen Geld.

Viele Jahre lang schien die Verwirklichung dieses Traumes vor allem den Wohlhabenden und Börsenprofis vorbehalten zu sein. Doch das änderte sich schlagartig mit dem Börsengang der Deutschen Telekom im November 1996: Durch die progressive Werbung des Unternehmens in den Medien wurde das Interesse auf breiter Front geweckt. Selbst diejenigen, die sich bis dahin nicht für Aktien begeisterten und ihr Geld vor allem in sichere Sparanlagen steckten, wagten eine Aktieninvestition. Die Folge: Auf einmal waren Aktien der Renner. Jeder wollte an der Börse spekulieren und natürlich Gewinne machen.

Daran hat sich in den letzten Jahren wenig geändert. Der Kauf und Verkauf von Aktien ist zum Volkssport geworden. Inzwischen legen immer mehr Deutsche ihr Geld in Aktien und anderen Wertpapieren an. Hielten 1998 und 1999 noch weniger als 14 Prozent der westdeutschen Haushalte Aktien, sind es nach Umfrageergebnissen des Instituts für Demoskopie Allensbach mittlerweile 21 Prozent. Im Osten hat sich die Zahl im selben Zeitraum auf 11 Prozent verdoppelt. Laut dem Deutschen Aktieninstitut besitzen inzwischen 11,3 Millionen Deutsche Aktien oder Anteile an Aktienfonds.

Nach Informationen des Meinungsforschungsinstituts Emnid hat sogar schon jeder Dritte wenigstens einmal den Wunsch verspürt, Neuemissionen zu zeichnen. „Ein Problem ist jedoch, dass viele nicht wissen, was bei einem Aktienkauf passiert“, erklärt Michael Struckmann, Portfoliomanager der Norddeutschen Landesbank (Nord LB) in Hannover.

Aufklärung tut Not. Denn: Wer in Aktien investiert, kauft damit Unternehmensanteile und wird zum Aktionär. Das heißt, man wird zum Miteigentümer des Unternehmens und hat deshalb auch bestimmte Rechte. „Dazu gehören zum Beispiel das Recht auf eine Beteiligung am Bilanzgewinn oder das Recht auf die Teilnahme an der Hauptversammlung“, erläutert der Börsenfachmann weiter. Gleichzeitig können Aktionäre in der Hauptversammlung über Entscheidungen abstimmen und vom Vorstand Auskunft über die Angelegenheiten der Aktiengesellschaft (AG) verlangen.

Erhöht die Gesellschaft ihr Kapital und bringt mehr Aktien auf den Markt, haben Aktionäre zudem ein Bezugsrecht. Das heißt, sie haben die Möglichkeit, entsprechend ihres Unternehmensanteils, die neuen (jungen) Aktien zu einem festen Preis zu kaufen, bevor sie an der Börse angeboten werden. „Der Vorteil ist dabei, dass der Kurs für die Aktionäre meist sehr günstig ist“, so Portfoliomanager Struckmann.

Der Kauf von Aktien birgt jedoch auch Gefahren, darauf weist der Deutsche Sparkassen- und Giroverband in Berlin hin. Denn: Der Aktionär trägt durch seine Beteiligung einen gewissen Teil des unternehmerischen Risikos. Ist die Gesellschaft erfolgreich, kann er von der Dividende profitieren. Läuft das Geschäft jedoch schlecht, bekommt er keinen Gewinn ausbezahlt. Im Zweifelsfall droht sogar der Totalverlust des Kapitals. Geht die Gesellschaft in Konkurs, regelt das Insolvenzrecht, dass bei Auflösung des Unternehmens zunächst alle Verbindlichkeiten beglichen werden müssen. Nur wenn danach noch Vermögen vorhanden ist, kann es unter den Aktionären aufgeteilt werden, teilt der Verband weiter mit.

Die meisten Anleger kaufen Aktien jedoch nicht wegen der möglichen Dividende nach Abschluss des Geschäftsjahres, sondern wegen der erhofften hohen Kursgewinne. Das heißt, sie rechnen damit, dass das Unternehmen seine Marktstellung ausbauen kann, sodass der Aktienkurs entsprechend in die Höhe schnellt und Aktiengewinne möglich werden. „Um das rechtzeitig zu erkennen und zu beurteilen, sind allerdings Branchenkenntnisse und Börsenerfahrung nötig“, erklärt der Börsenexperte. Das heißt für Kleinanleger und Börseneinsteiger: Der Wirtschaftsteil der Tageszeitung wird zur Pflichtlektüre und die Beobachtung der Börse zum Alltag. Vor Überraschungen sind jedoch auch Profis nicht gefeit. Denn sicher geglaubte Gewinne können in wenigen Stunden verloren sein.