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Wem will man es recht machen?Dem Opportunismus absagen

Für eine Zeitung stellt sich natürlich, ausgehend von der real existierenden Presselandschaft, die Frage nach dem allenthalben verehrten Publikum. Wem will man es recht machen? Vielleicht sogar allen und jedem? Dem hartgesottenen deutschen Nationalisten, der in der Bild-Zeitung Tag für Tag seine geistige Nahrung sucht, oder dem intellektuellen Nationalisten, der, nicht weniger hartgesotten, bessere Argumente für seinen systemaffirmativen Standpunkt sucht und deshalb FAZ oder SZ garniert mit Spiegel oder Zeit bevorzugt?

Für eine alternative, linke Zeitung besteht aller Grund für die Absage an solcherart Opportunismus. Eine linke Zeitung schafft sich ihr Publikum praktisch aus dem Nichts, allein durch ihre journalistische Qualität: Eine Berichterstattung, die scharf ist, die wirklichen (Hinter-)Gründe zu recherchieren, die Geschichte in all ihren Facetten zu ergründen, distanziert von den Höfen der Macht, immer an der Realität orientiert, ohne diese freilich – im Gegensatz zu den anderen Meinungsorganen – je mit Opportunismus zu verwechseln. Ja, gerade mit ihrer Auslandsberichterstattung hat die taz in vielen Jahren Maßstäbe gesetzt. Während die Inlandsberichte immer mehr ins Opportunistische, ins Systemaffirmative abgedriftet sind. Trauriger Höhepunkt war allerdings ein außenpolitischer: Die Gutheißung des Nato-Krieges in und gegen Jugoslawien. Man muss sicher Milošević und seine Politik nicht mögen, aber deswegen das größte imperialistische Bündnis aller Zeiten auch nur in einer Zeile zu rechtfertigen, ist ein starkes – oder besser gesagt: schwaches – Stück Publizistik. (Apropos Imperialismus: Was ist die „Globalisierung“ anderes?)

Noch was: Die Schwerpunktberichterstattung mit einigen Themen jeden Tag ist an sich eine gute Sache – nur bitte keine unwichtigen Themen! Allzu oft hat sich ein solches schon dort eingeschlichen – lieber ein Thema weniger, aber lasst den Vorwurf nicht zu, zwischen wichtig und unwichtig nicht unterscheiden zu können (Sport und sonstiger Pipifax haben dort nichts zu suchen – eine Abrechnung mit dem von Olympia geförderten Nationalismus freilich schon).

Apropos Sparkurs: Macht doch die Zeitung wieder handlicher; Sport, mancher Kulturquark, den kaum einer liest, das TV-Programm, das man anderswo haben kann, wen & wenn es interessiert, kann man meines Erachtens streichen. Wer die taz wegen dieser Seiten liest, befindet sich wahrscheinlich eh nur vorübergehend auf diesem Dampfer. Noch eine Frage zum Schluss: Warum musste ausgerechnet die „verboten“-Kolumne auf Seite 1 der Abo-Kampagne weichen?

Viele Grüße WOLFGANG RICHTER

Lieber Leser,

besten Dank für die solidarische Kritik. Widerspruch muss sein, auch dieser: Die taz hat den Krieg gegen Jugoslawien keineswegs gut geheißen. Schon gar nicht einhellig. Es gab zahlreiche kritische Beiträge aus Politik und Gesellschaft, Autoren und RedakteurInnen haben sehr kontrovers Stellung bezogen. Besonders engagiert hat sich unter anderem auch unsere Korrespondentin Bettina Gaus, deren Text zur Streitkultur sie nebenstehend finden.

Zu „verboten“, der umstrittensten taz-Kolumne: Es geht um das Weiterbestehen der taz. Wenn das gesichert ist meldet sich „verboten“ wieder. Mit freundlichem Gruß Petra Groll ( peg@taz.de ).

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