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Belgrad tanzt auf den Straßen

Die serbische Opposition vor der Regierungsübernahme. Russland erkennt den Sieg von Vojislav Koštunica bei der Präsidentenwahl an. Slobodan Milošević will in Belgrad politisch aktiv bleiben. Westen begrüßt den Wechsel

BELGRAD afp/ap/taz ■ „Es lebe Koštunica!“-Sprechchöre, eine tanzende, johlende Menge, Jugendliche, die die jugoslawische Trikolore schwenken: Mindestens hunderttausend Menschen versammelten sich gestern erneut im Zentrum der serbischen Hauptstadt Belgrad, um den Sieg der Opposition nach dem erfolgreichen Aufstand vom Vortag zu feiern.

Aufgerufen zu der Großkundgebung hatte das Oppositionsbündnis DOS. Dessen Vertreter Zarko Korac forderte die Streitkräfte auf, den Sieg des DOS-Kandidaten Vojislav Koštunica bei den Präsidentenwahlen anzuerkennen. Zuvor hatte Koštunica erklärt, dass sich die Lage normalisiere. „Ich glaube, die Krise liegt hinter uns“, sagte er. Gleichzeitig schloss er Verhandlungen mit dem bisherigen Machthaber Slobodan Milošević aus. Diese Frage könne er mit einem klaren Nein beantworten, sagte Koštunica.

Unterdessen festigte die bisherige Opposition auch institutionell weiter ihre Macht. Sie gründete einen Krisenstab, um die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Frühestens heute will sich das Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung treffen. Das Parlament muss nach der Verfassung den neuen Präsidenten bestätigen. Das Verfassungsgericht, das noch am Mittwoch entschieden hatte, dass die Präsidentschaftswahlen wiederholt werden müssten, erklärte Koštunica gestern abend zum Wahlsieger vom 24. September.

Nach langem Zögern schlug sich Moskau gestern endgültig auf die Seite der Opposition. Bei einer überraschenden Visite in Belgrad überbrachte Russlands Außenminister Iwanow Koštunica die Glückwünsche des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu seinem Sieg bei der September-Wahl.

Auch mit Slobodan Milošević kam Iwanow gestern in Belgrad zusammen. Der russische Außenminister erklärte anschließend, Milošević wolle nicht ins Exil gehen, sondern in seinem eigenen Land politisch aktiv bleiben. Das US-Präsidialamt reagierte mit der Mitteilung, die USA lehnten eine politische Zukunft des bisherigen jugoslawischen Präsidenten ab. Das serbische Staatsfernsehen zeigte Bilder von dem Treffen Iwanows mit Milošević, wobei die Übertragung jedoch nach wenigen Minuten wieder abgebrochen wurde. Ob er als amtierender Präsident zurücktreten wird, blieb zunächst unklar.

Rückendeckung erhielt der künftige Präsident Koštunica gestern erneut von der westlichen Staatengemeinschaft. Die Außenminister der Europäischen Union wollen sich bereits am kommenden Montag in Luxemburg mit der Aufhebung der Sanktionen gegen Jugoslawien befassen. Dabei sollen nach Angaben des deutschen Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye auch die Konturen des von der Regierung in Berlin vorgeschlagenen wirtschaftlichen Soforthilfeprogramms beschlossen werden. Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte, Koštunica als gewählter Präsident habe das Vertrauen der internationalen Öffentlichkeit. Er habe sich klar für Europa erklärt, und Europa sei jetzt in der Pflicht, Serbien mit offenen Armen aufzunehmen.

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac bezeichnete Koštunica ausdrücklich als neuen Präsidenten und sicherte dem Land ebenfalls die Aufhebung der Sanktionen zu. Im Namen der Europäischen Union würdigte der amtierende EU-Ratspräsident das serbische Volk, das sich mit großartigem Elan die Freiheit erkämpft habe.

US-Präsident Bill Clinton erklärte: „Die Menschen in Serbien haben ihre Meinung deutlich zum Ausdruck gebracht.“ Er fügte hinzu: „Sie haben es zuerst mit ihrer friedlichen Wahl getan, und sie tun es jetzt auf den Straßen.“ BO

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