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Bitte abnehmen!

Einsam wandeln und nachdenken, was da wohl wie zusammengehören könnte: Nach einer längeren Umbaupause hat die Stiftung Starke mit der Ausstellung „Almost Done“ ihre Räume wiedereröffnet

Der Schlossplatz, das urbane Vakuum, will gefüllt sein. Kürzlich verwandelte ein Künstlerduo den Platz in eine „Waschküche der Nation“. Unweit der inzwischen wieder abmontierten Waschmaschinen steht „Freight Train“, eine Installation von Yoko Ono. Der geschlossene Güterwaggon mit Einschusslöchern bedeutet „Wiedergutmachung für die Ungerechtigkeit und den Schmerz, den wir in diesem Jahrhundert erfahren und der Ausdruck findet im Widerstand der Heilung und der Hoffnung für die Zukunft“ – so steht es jedenfalls auf einer angebrachten, silbernen Tafel (s. taz v. 28. 8. 00). Gemeint ist das 20. Jahrhundert, und erinnert werden soll an illegal in die USA geschleuste Mexikaner und an andere Menschentransporte mit fatalen Folgen. Tagsüber unspektakulär, werden die Einschüsse nachts von innen beleuchtet, ein Scheinwerfer strahlt gen Himmel.

Die Installation ist von der Galerie Fine Art Rafael Vostell und der Stiftung Starke organisiert worden. In den Räumen der Stiftung hängen zusätzlich Fotos, die die Präparierung des Waggons durch Gewehrschützen auf einer Waldlichtung zeigen. Die Aufnahmen sind Teil der Neueröffnungsausstellung mit dem Titel „Almost Done“, die neben Yoko Ono Arbeiten von Sol LeWitt, Bjørn Melhus und Matthias Deumlich präsentiert. Wegen Renovierung und Restaurationsarbeiten war das Löwenpalais, die 1903 von Bernhard Sehring erbaute Grunewaldvilla und Sitz der gemeinnützigen Stiftung, längere Zeit geschlossen.

Im großen Zentralraum befinden sich „Wall Drawings“ des „bekanntesten lebenden Künstlers für Wandgemälde in der Welt“, wie es im Info heißt. Sol LeWitt hat die Wände in verschiedenfarbige Rechteckfelder aufgeteilt, die durch einen mäandernden schwarzen Streifen verbunden sind. Durch die Muster und kräftig leuchtenden Farben wirkt der Raum überladen, als wollte LeWitt die Architektur konterkarieren. In den beiden Seitenräumen zeigt Melhus, der „neue Shootingstar der Szene“, seine Video-Installationen „Silvercity ist weit weg“ und „Silvercity 2 – The End of the Beginning“. Bei beiden geht es um Dialoge zwischen zwei Männern: Cowboys am Lagerfeuer und Astronauten, die in getrennten Raketen via Erdverbindung kommunizieren – ein Spiel mit medialen Stereotypen.

In den Kellerräumen schließlich sind die Klang-, Licht- und Objektinstallationen von Deumlich zu finden, Versuchsanordnungen mit wassergefüllten Gefäßen, Lampen, verborgenen Motoren. Ein wenig gespenstisch sieht das aus, wie man überhaupt im ganzen Haus als Besucher meist sehr alleine ist und darüber nachdenken kann, welches Konzept diese verschiedenen Werke wohl verknüpft.

Vielleicht klingelt genau dann oben das alte weiße Telefon im kleinen Stellgemach: Das „Telephone Piece for Berlin“ ist von Yoko Ono. Einmal am Tag will sie anrufen. Dann heißt es: Bitte abnehmen! Das steht zwar nicht an der Wand, aber in der Presseerklärung. MICHAEL NUNGESSER

Bis 15. Oktober, Mo – Fr 14 – 17.30, Sa/So 15 – 20 Uhr, Stiftung Starke, Königsallee 30 – 32, Grunewald

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