IN WESTAFRIKA BREITET SICH EINE VÖLKISCHE POLITIK AUS: Der General und die Fremden
Der Ausschluss mehrerer führender Politiker aus den bevorstehenden Wahlen in der Elfenbeinküste ist ein Alarmsignal für ganz Westafrika. Nicht nur kann jetzt wie so oft in der Region ein Militärherrscher per arrangierte Wahl die Metamorphose zum gewählten Präsidenten vollziehen. Es werden auch bewusst Bevölkerungsteile ausgegrenzt und die Unterscheidungen zwischen „Einheimischen“ und „Fremden“ zu Frontlinien eines politischen Konflikts ausgebaut. In der Elfenbeinküste, einem traditionellen Einwanderungsland, wo über ein Viertel der Bevölkerung auf dem Papier Ausländer sind, ist dies ein Spiel mit dem Feuer.
Politische Machtkämpfe entlang ethnischer Linien auszufechten widerspricht der Geschichte einer Region der Vielvölkerstaaten und der traditionellen grenzüberschreitenden Migration, wo alle Menschen Angehörige, Stammesverwandte oder Vorfahren in anderen Ländern haben. Es ist allein ein Machtinstrument mit dem Ziel der Errichtung autoritärer Staaten. Es soll die vielschichtigen sozialen Beziehungen Westafrikas zerreißen und die Bürger in von oben gesetzte Konstrukte einer geeinten und abgeschottenen Nation pressen. Wenn dann der erhoffte Entwicklungssprung ausbleibt, was unweigerlich passiert, wenden sich aber die Menschen von ihren Staaten ab und ihren Ethnien zu.
Die Dauerkrise in Nigeria, dessen Völker inzwischen fast alle die bestehende Struktur ihres Staates ablehnen und sich immer weiter ethnisch polarisieren, ist Westafrikas abschreckendes Beispiel für das Ende einer solchen Politik. Eine noch düsterere Parallele, die in westafrikanischen Kommentaren immer öfter auftaucht, ist der endlose Kreislauf der Gewalt bis hin zum Völkermord im Afrika der Großen Seen.
Zwei Beispiele aus der Elfenbeinküste in den letzten Tagen: Juntachef Robert Guei sagt, die Bürger des Landes wollten „ihre separate Persönlichkeit verteidigen“; ein renommierter Geistlicher schreibt anklagend, die Wirtschaft des Landes sei „in den Händen von Ausländern“, womit jene westafrikanischen Immigranten gemeint sind, die die Drecksarbeit machen. Mit einer solchen Rhetorik wurde in Ruanda vor 1994 der Genozid an den Tutsi vorbereitet.
Man braucht das nicht überzubewerten, aber das Risiko eines Bürgerkrieges in der Elfenbeinküste ist real, wenn auch wohl erst nach der jetzt im Vorfeld entschiedenen Wahl. In Westafrika grassieren bereits mehrere bewaffnete Konflikte, die sich wie Buschfeuer durch ein Land nach dem anderen fressen. Jeder neue, der dazukommt, rückt für die ganze Region den Frieden in weitere Ferne.
DOMINIC JOHNSON
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen