: Brokdorf strahlt
■ Atomreaktor Stade wird geopfert, damit andere HEW-AKWs länger am Netz bleiben
Als erstes deutsches Atomkraftwerk wird der Reaktor in Stade vorzeitig stillgelegt werden. Das AKW solle „unter Berücksichtigung der rechtlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen unverzüglich“ vom Netz genommen werden. Angestrebt wird eine Abschaltung bereits „im Jahr 2001“.
Das beschloss gestern Abend der Vorstand des zweitgrößten deutschen Atomkonzerns E.ON in München nach Gesprächen mit dem Gesamtbetriebsrat des Konzerns. E.ON, im Juni aus der Fusion der Energieunternehmen Veba und Viag entstanden, ist zusammen mit den Hamburgischen Electricitäts-Werken (HEW) Betreiber des zweitältesten deutschen Atomkraftwerkes.
Die HEW, mit einem Drittel der Anteile Juniorpartner am Meiler an der Unterelbe, wollten sich vor einer eingehenden Prüfung der E.ON-Verlautbarung nicht offiziell äußern. Nach Ansicht des Hamburger Atomkonzerns sei eine „kurzfristige“ Stilllegung von Stade allerdings nicht zu rechtfertigen. Man werde die Sache „streng betriebswirtschaftlich betrachten“.
Nach dem im Juni zwischen Bundesregierung und Atomwirtschaft getroffenen Atomkompromiss wurde dem im Januar 1972 in Betrieb genommenen Druckwasserreaktor Stade eine Reststrommenge von 23,18 Milliarden Kilowattstunden zuerkannt. Dies bedeutet je nach Auslastung ein Ende der Betriebszeit zwischen März 2003 und Januar 2004.
Allerdings können die Konzerne Strommengen auf andere ihrer Atommeiler übertragen. Das bedeutet die vorzeitige Stilllegung weniger wirtschaftlicher AKWs zu Gunsten einer längeren Betriebsdauer rentablerer Meiler. Der mittelfristige Ausstieg aus Uralt-AKWs wurde somit erkauft durch eine verlängerte Bestandsgarantie für neuere Kraftwerke.
Im Falle eines vorzeitigen Abschaltens von Stade werden die HEW ihre Strommengenanteile auf die leistungsstärkeren Reaktoren in Krümmel oder Brokdorf übertragen und deren Betriebszeit verlängern. Rein rechnerisch ermöglicht dies Brokdorf, dem jüngsten HEW-Meiler, eine Lizenz zum Strahlen von 33,8 Jahren bis zum August 2020. Sven-Michael Veit
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