piwik no script img

Gender-Spielchen im Zeltlager

Wie man auch in hochhackigen Schuhen seinen Spaß haben kann: Im Arsenal beginnt heute das Lesben Film Festival

Seinem biologischen Geschlecht in den Augen der Umwelt gerecht zu werden, ist manchmal gar nicht so einfach. Jungs in hellblauen Overalls von einem missionarischen Ex-Gay unter Autos gezwängt und mit Schraubenschlüssel in der Hand ihrer kulturellen Bestimmung – Technik – zugeführt. Die Mädchen widmen sich dagegen derweil, quietschrosa verpackt, unter der strengen Hand der Hausherrin den Feinheiten der Haushaltsführung. Und am Schluss nehmen alle ein Zertifikat mit nach Hause, auf dem ihnen die Überwindung ihrer homoerotischen Tendenzen attestiert wird.

Der Schauplatz des Eröffnungsfilm „But I am a Cheerleader“ (dt. „Weil ich ein Mädchen bin“) ist ein Zeltlager für schwullesbische Teenies, und trotz aller Repressionsversuche geht es hier schön bonbonbunt zu: Unbeschwert und satirisch-leicht ist der Auftakt des diesjährigen Lesben Film Festivals im Kino Arsenal, der neben Paris und Bologna größten Filmschau dieser Art in Europa. Die Veranstalterinnen setzen den Ansatz der letzten Jahre fort, sexuelle Identitätsfragen manchmal tiefgründig, manchmal humorvoll und vor allem ohne großes Betroffenheitspathos zu verhandeln.

Neben „But I am a Cheerleader“ ist eine weitere, eher dem Mainstream zuzurechnende Produktion der für das US-Fernsehen hergestellte dreiteilige Episodenfilm „If these walls could talk“. Hier wird die Geschichte eines Hauses und seiner verschiedenen Bewohnerinnen (gespielt u. a. von Sharon Stone, Vanessa Redgrave und Ellen De Generes) über die Jahrzehnte hinweg erzählt.

In dem Dokumentarfilm „Out: The Making of a Revolutionary“ geht es um Laura Whitehorn, die nach einem Bombenanschlag auf das Capitol 14 Jahre in einem kalifornischen Knast saß. Whitehorn hatte ihren politischen und sexuellen Aufbruch in den späten Sechzigerjahren, war bei den „white panthers“ aktiv und ging später in den politischen Untergrund. Der Film ist ein spannendes zeitgeschichtliches Dokument – etwas bemüht wirkt nur der immer wieder vorgetragene Verweis auf den Zusammenhang von Laura Whitehorns politischer Bewusstseinsbildung und ihrem lesbischen Coming-out.

Ein sehr persönlicher Dokumentarfilm ist „Daughter of Suicide“, in der sich die sich die Filmemacherin Dempsey Rice mit dem Selbstmord ihrer depressiven Mutter auseinander setzt. Ein Porträt mit dagegen eher hoffnungsfrohem Tenor ist der Film „Living With Pride“, der die 100-jährige, lesbische Schwarze Ruth C. Ellis von ihrem Jahrhundert erzählen lässt.

Das Angebot an Kurzfilmen ist breit gestreut. Von eher ernsthaften Auseinandersetzungen zur Gender-Thematik und kultureller Identität bis hin zum Trash und einem deutschen Programmschwerpunkt reicht das Repertoire der diesjährigen Themenabende. Titel wie „How To Fuck in High Heels“, „Lesbian Laugh“ und „Multiplying Gender“ sind programmatisch.

Der Preis für den Publikumsliebling unter den Kurzfilmen wird am kommenden Sonntag bei der Abschlussparty ab 21h im Schoko-Café verliehen. Und am Montag gibt es dann noch eine Best-of-Zusammenfassung des Festivals im Kino International.

STEPHANIE GRIMM

Bis zum 15. Oktober. Vorverkauf im Schoko-Café, Mariannenstraße 6. Der Eröffnungsfilm „But I am a Cheerleader“ wird heute abend um 18 Uhr gezeigt – wie alle anderen Filme auch im Arsenal, Potsdamer Str. 2. Eine Programmübersicht und weitere Infos zu den Filmen gibt es unter www.lesbenfilmfestival.de.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen