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Strahlt bis Brüssel

Heute wird das umstrittene tschechische AKW Temelín in Betrieb genommen. Österreich setzt weiterhin EU-Beitritt als Druckmittel ein

aus Prag ULRIKE BRAUN

Es ist so weit: Südböhmen wird strahlen. Nachdem das tschechische Amt für Strahlenschutz gestern grünes Licht gegeben hat, wird heute der erste Reaktorblock des AKW Temelín ans Netz gehen. Der Brüter, der gerade deshalb so umstritten ist, weil er russische Druckwasserreaktoren mit amerikanischer Technologie der Firma Westinghouse verbindet. Viele befürchten, dass das kein gutes Match geben kann.

Immer wieder wurde in den letzten Jahren von tschechischen wie von ausländischen Umweltschützern und von Atomaufsichtsbehörden bemängelt, dass beim Bau des Brüters geschlampt werde. Sei es, dass die Montage nicht sauber genug erfolgt sei oder dass ganz einfach Chaos auf der Baustelle herrsche. Laut eines am Bau beteiligten Ingenieurs sind die Impulsrohre im Reaktorblock verstopft und haben auch nicht das von Westinghouse geforderte Gefälle. Trotzdem muss der Reaktor erst einmal ans Netz – obwohl Tschechien schon jetzt zu viel Strom produziert. Schließlich hat der Betreiber CEZ umgerechnet sechs Milliarden Mark für den Bau ausgegeben. Außerdem wartet die staatliche CEZ auf ihre Privatisierung. Favorit für den Atomaktienkauf ist der französische Stromkonzern EDF.

Bei der heutigen Aktivierung des ersten Reaktorblocks handelt es sich zunächst um einen versuchsweisen Betrieb. Voll ans Netz soll der Reaktor dann im Frühjahr nächsten Jahres, die Inbetriebnahme des zweiten Blocks ist für 2003 geplant.

Eine strahlende Zukunft auch für Österreich also, dessen Grenzen knapp 60 km von Temelín entfernt liegen. Vom oberösterreichischen Bauer über Landeshauptmann Josef Pühringer bis hin zu Kanzler Wolfgang Schüssel hat die Alpenrepublik dem Brüter den Kampf angesagt: Demonstranten blockierten auch gestern wieder die Grenzübergänge nach Tschechien. Beim Europäischen Parlament hat sich Österreich dafür eingesetzt, Temelín zum Stolperstein für Tschechiens EU-Beitritt zu machen. Umsonst: Die Energiepolitik kann jedes Land selbst bestimmen, so die Absage aus Brüssel in Richtung Wien. Ganz aufgegeben hat Kanzler Schüssel dennoch nicht: „In den Verhandlungen über den EU-Beitritt Tschechiens ist es nicht möglich, das Kapitel Energiepolitik zu schließen, ohne vorher die Sicherheitsfragen geklärt zu haben“, appelierte Schüssel am Sonntag an Tschechiens Premier Miloš Zeman und erinnerte ihn bei dieser Gelegenheit noch daran, dass seine letzten beiden Briefe an Zeman von diesem noch nicht beantwortet wurden.

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