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Wohl kalkuliertes rot-rotes Geturtel

Seit dem Treffen von Schröder mit Bisky wird über das neue Verhältnis von Sozialdemokraten und Sozialisten spekuliert. Die PDS-Spitze freut sich und will ein weiteres „Signal der Öffnung“ geben. Die SPD räumt dagegen ein, dass der Flirt nur Taktik ist

von LUKAS WALLRAFF

Genau eine Woche ist das Großereignis nun alt. Sorgsam abgeschirmt, aber durchaus sichtbar verspeisten die Herren Schröder und Bisky am vergangenen Donnerstag zwei Portionen Kalbsleber mit Röstzwiebeln in einem Berliner Restaurant. Seitdem überschlagen sich die Medien der Republik in wildesten Spekulationen.

Dabei gewesen ist keiner – aber alle wollen wissen, was es bedeutet, dass die Parteivorsitzenden von SPD und PDS erstmals zusammentrafen, ohne ihr Rendezvous geheim zu halten. Von einem „Tabubruch“ ist die Rede und vom „Ende des Schweigens“. Die Süddeutsche Zeitung spricht von der „Zeit der Zärtlichkeit“. Die konservative Welt warnt: „PDS und SPD sind auf Schmusekurs“.

Die Union tobt. „Es ist ein Skandal“, wetterte CDU-Chefin Angela Merkel am Montag, „dass beide Parteien über so genannte private Termine wie ein Mittagessen politische Normalität herstellen wollen.“

Die SPD wiederum scheint die aufgeregten Reaktionen der Opposition nicht allzu ernst zu nehmen. „Völlig normal“ sei das Treffen von Schröder und Bisky gewesen, sagte der Sprecher der Partei. Und fügte hinzu: „Die roten Socken stinken nicht mehr.“ Das weiß eigentlich auch die Union. Nur zugeben will sie es nicht. So schimpft Merkel weiter unverdrossen auf die sozialistischen „Verfassungsfeinde“. Übersehen hat sie dabei, dass auch Exparteichef Helmut Kohl sich ebenso ungeniert wie Schröder mit PDS-Größen traf: Sogar mehrmals speiste er mit Gregor Gysi und applaudierte diesem nach seiner Abschiedsrede als PDS-Fraktionschef im Bundestag besonders kräftig.

Warum die amtierende CDU-Führung so hysterisch auf den Flirt von SPD und PDS reagiert, ist indes klar. Denn Kanzler Schröder demonstriert damit vor allem eines: die Gelassenheit eines erfolgreichen Regierungschefs, der um die Schwäche der spendenskandalgebeutelten CDU weiß und der auf dem Höhepunkt seiner Umfragewerte einfach mal weitere Optionen für die Zukunft austariert.

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat das jetzt offen zugegeben. Die Annäherung seiner Partei an die PDS sei „eine Frage von ganz nüchternem politischen Kalkül“, sagte Müntefering gestern im Deutschlandfunk. Der erfahrene Wahlkampfmanager weiß nur zu gut, dass die Ausgrenzung der PDS nichts gebracht hat. Zehn Jahre nach der Wende hat sich die PDS stattdessen als Interessenvertretung der neuen Länder etabliert.

„Was uns interessiert“, bekannte Müntefering, „sind vor allem die Wählerinnen und Wähler der bisherigen PDS-Wahlergebnisse.“ Die will die SPD nun gewinnen, indem sie die Sozialisten nicht mehr verteufelt, sondern herzlich umarmt.

Unverblümt stellt die SPD der PDS eine engere Zusammenarbeit in Aussicht. Die rot-rote Koalition in Mecklenburg-Vorpommern wird fortgesetzt. Auch in Sachsen-Anhalt soll aus der Tolerierung bald ein Regierungsbündnis werden. Berlin und Brandenburg könnten folgen.

„Die PDS ist politikfähig“, findet Müntefering. Eine Koalition auf Bundesebene schließt die SPD vorerst noch aus. Aber mit ihren Schmeicheleien ist den Sozialdemokraten bereits gelungen, dass sich die PDS-Spitze immer weiter in Richtung Mitte bewegt. So stellte Mecklenburg-Vorpommerns PDS-Chef Helmut Holter am Dienstagabend, als er im Duett mit SPD-Generalsekretär Müntefering die rot-rote Koalition in seinem Bundesland lobte, fest: „Wir werden unsere Wähler nicht ausschließlich am linken Rand finden können.“

Schon mahnt der linke Flügel der PDS zur Vorsicht. „Die PDS kann sich in der Parteienlandschaft nur behaupten, wenn sie sich konsequent von der SPD Gerhard Schröders unterscheidet“, findet Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform. Solche Äußerungen sind Holter gar nicht lieb:Schließlich soll von dem Parteitag der PDS am Wochenende ein „Signal der Öffnung“ ausgehen.

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