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Radiologenstreik: Erste Woche vorbei

Viel Verständnis bei Patienten für Ärzteprotest. Nächste Woche schließen die Praxen im Westteil der Stadt

Wer im Ostteil der Stadt diese Woche eine radiologische Praxis besuchen wollte, der stand vor verschlossener Tür. Die Schließungen waren Teil der zwei Aktionswochen, die die Berliner Radiologen nach einer Urabstimmung Anfang Oktober beschlossen haben.

Hansjörg Meier-Duis, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der Radiologen, erklärte, dass viele Praxen der Stadt massive wirtschaftliche Probleme hätten: „Wir bekommen seit zehn Jahren die gleiche Summe für unsere Leistungen von den Krankenkassen. Dabei wird aber die Weiterentwicklung der letzten Jahre überhaupt nicht berücksichtigt.“

Die Kassenärztliche Vereinigung erhält von den Krankenkassen ein festgelegtes Budget, das sie an die verschiedenen Ärztegruppen verteilt. Je nach Leistung gibt es einen bestimmten Punktwert, der vergütet wird. Dieser ist bei den Radiologen in den letzten Jahren von 7 auf unter 4 Pfennig gesunken. Heute kostet zum Beispiel eine Röntgenuntersuchung der Lunge 16 Mark, vor zwei Jahren waren es noch 31 Mark. Radiologische Geräte sind zudem extrem teuer, auch in ihrer Unterhaltung. Dazu kommen große Neuerungen in den letzten Jahren: „Wir können heute zum Beispiel mit dem Kernspintomographen Untersuchungen machen, die vor fünf Jahren nicht möglich gewesen sind“, erklärt Meier-Duis. „Diese Entwicklung muss von den Krankenkassen auch einfach erkannt werden.“

Dass es den Berliner Radiologen finanziell nicht gut geht, sieht auch Bernd Köppl, gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner Grünen. Die Schuld liegt für ihn aber ganz klar bei der „unfairen und wirtschaftlich zerstörerischen Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung“ (KV). Diese habe in den letzten Jahren das übermäßige Wachstum und die überflüssigen Investitionen vieler Praxen nicht verhindert und dann den gestützten Punktwert fallen lassen. „Die haben die Radiologen sehenden Auges ins Unglück laufen lassen. Erst wurde mit einem festgeschriebenen Punktwert der Investitionsanreiz geboten, um den Röntgenärzten zwei, drei Jahre später diese Sicherheit zu nehmen.“

Die Kassenärztliche Vereinigung wehrt sich gegen diese Vorwürfe: „Wir können nicht mehr Geld verteilen, als wir von den Kassen bekommen“, sagt der Vorsitzende Manfred Richter-Reichhelm. Für eine Stützung der Radiologenhonorare müsste das Geld anderen Fachgruppen weggenommen werden: „Es ist wie mit einer Tischdecke, die zu kurz ist – an welchem Ende man auch zieht, ein Teil des Tisches bleibt unbedeckt.“

Bernd Köppl hält das jedoch für falsch: „Die KV ist für die Überkapazitäten mitverantwortlich, und die Kassen müssen diese Überversorgung nicht finanzieren – und sie werden es auch nicht tun.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen ist allerdings auch „relativ ratlos“, wie man den Radiologen helfen kann, die jetzt vor dem finanziellen Ruin stehen. Seiner Meinung nach müsste die KV die Mittel bereitstellen, um einen Mindestpunktwert von etwa 6 Pfennig zu garantieren, und außerdem Absprachen treffen, nach denen die teuren Großgeräte nur noch nach Bedarf gekauft werden.

In der nächsten Woche werden nun wie vorgesehen die Praxen in Westberlin geschlossen bleiben. Die Patienten nehmen es bisher relativ gelassen: „Sie zeigen sich sehr interessiert und sind oftmals erstaunt über die tatsächlichen Zahlen und Preise“, so Meier-Duis vom Berufsverband. Etwa 300 Ärzte und Mitarbeiter haben sich an der ersten Aktionswoche beteiligt.

Ein erstes Fazit, das sie am Mittwochabend zogen, war positiv: Auch wenn es noch nicht gelungen sei, mit Krankenkassen und Politikern ins Gespräch zu kommen, seien vor allem Patienten informiert und aufgeklärt worden. „Uns geht es wirklich nicht darum, einfach nur mehr Geld zu verlangen, sondern zusammen mit den Krankenkassen eine vernünftige Lösung für die aktuelle Situation zu finden“, erklärt Meier-Duis. Die Radiologen hoffen auf einen Schritt der Kassen. Sollten Gespräche nicht zustande kommen, drohen die Röntgenärzte mit „Steigerungsformen unserer Aktionen“.

SUSANNE AMANN

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