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Prag wendet sich an EU

Gestern war die Straßenverbindung zwischen Tschechien und Österreich vollständig unterbrochen. Im Streit über die blockierten Grenzübergänge soll nun Brüssel helfen

PRAG taz ■ Wer an der österreichisch-tschechischen Grenze gegen die versuchsweise Inbetriebnahme des südböhmischen Brüters Temelin demonstriert, habe das Recht dazu. So reagierte die österreichische Regierung auf Beschwerden der Tschechen, endlich etwas gegen die schon seit Tagen andauernden Grenzblockaden zu unternehmen.

Nachdem die österreichische Regierung am Donnerstag ein Ultimatum verstreichen ließ, wandte sich der stellvertretende tschechische Außenminister Pavel Telicka gestern an den ständigen EU-Vertreter in Prag mit der Bitte um Verhandlungen. Zuvor ließ der österreichische Außenminister Ernst Strasser allerdings wissen: „Ich bin nicht bereit, auch nur einen Millimeter der österreichischen Versammlungsfreiheit einzuschränken.“ Zwar erklärte die österreichische Botschaft in Prag, man wolle kein Öl ins Feuer gießen. Doch die Demonstranten haben schon angekündigt, sie würden bis in den Frühling hinein aushalten. Gestern hatten sie alle 15 Grenzübergänge blockiert, heute sollen einige wieder geöffnet werden. Ihr Anliegen, Temelin wieder abschalten und noch weitere sechs Monate auf seine Sicherheit und Umweltverträglichkeit testen zu lassen, steht im Einklang mit der österreichischen Regierung.

Für viele Tschechen, die nicht direkt von den Blockaden betroffen sind, ist die Angelegenheit eine Sache des Nationalstolzes: „Die Österreicher glauben doch nur, uns unter Druck setzen zu können, weil wir mal ihre Untertanen waren“, schimpft es in Prager U-Bahnen. „Die wären bestimmt ganz ruhig, wenn die Ungarn ihnen einen Brüter vor die Nase setzen würden“, so die Meinung. Bringt Temelin gar tief verborgene nationale Minderwertigkeitskomplexe ans Licht? Noch sind keine Meldungen aus Wien eingetroffen, dass sich gar der alte Franz Josef in seinem Grab umgedreht hätte. ULRIKE BRAUN

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