: EU-Reform knifflig
Bislang gab es keine Einigung in Biarritz, wie eine schlanke EU-Kommission in einem Europa der 20 auszusehen hat. Deutschland für Rotationsprinzip
BRÜSSEL taz ■ Die durch die anstehende Osterweiterung dringend gewordene EU-Reform kommt nicht voran. Um das zu kaschieren, verlegte sich Frankreichs Europaminister Pierre Moscovici gestern beim EU-Gipfel in Biarritz auf Geisterbeschwörung: Zwar gebe es, so teilte er mit, noch keine konkreten Ergebnisse. Der „Geist von Biarritz“ aber sei unter den Teilnehmern deutlich spürbar. Alle wollten, dass der Folgegipfel in Nizza „ein Erfolg wird“.
Für die künftige Kommission in einem Europa der zwanzig oder mehr Staaten seien zwei Modelle im Gespräch, erläuterte Moscovici: eine kleine Kommission, die abwechselnd aus den Mitgliedstaaten bestückt wird, oder ein Kommissar pro Land – dann allerdings in einer neuen Struktur, wo mehrere Unter-Kommissare einem Ressortchef mit Budget zugeordnet sind.
Diese beiden Varianten liegen schon auf dem Tisch, seit über die Osterweiterung gesprochen wird. Die Bundesregierung will die Kommission auf 20 Mitglieder begrenzen, erwartet aber Zugeständnisse der kleineren Staaten bei der Stimmgewichtung. Dabei wäre es ein Durchbruch, wenn sich die Staats- und Regierungschefs im Prinzip für eins der Modelle entscheiden würden, das bis Nizza ausgearbeitet werden könnte. Dazu aber kam es zunächst noch nicht.
Auch im zweiten Kernbereich, bei der Frage, welche Entscheidungen künftig mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden, sind die Fünfzehn offenbar nicht vorangekommen. Gastgeber Frankreich hat hier in zwei Bereichen Bedenken – bei einer beschleunigten Vergemeinschaftung des Bereichs Asyl und innere Sicherheit und bei Handelsverträgen mit Drittstaaten über geistiges Eigentum. In beiden Bereichen möchte Frankreich sein Vetorecht nicht aufgeben.
Immerhin scheinen fast alle Delegationen einverstanden zu sein, dass in Nizza eine Reform von Artikel 7 des EU-Vertrages beschlossen wird. Er regelt die Bedingungen, unter denen ein Mitgliedsland verwarnt oder mit Sanktionen belegt werden kann. Seit in Wien eine Koalition aus Konservativen und Rechtspopulisten regiert, wird nachgedacht, wie die EU künftig auf derartige Krisen reagieren soll.
Schnell einigten sich die Gipfelteilnehmer, wie auf den Wandel in Serbien reagiert werden soll. Nachdem bereits zu Beginn der Woche die meisten Sanktionen aufgehoben worden waren, beschlossen die Staatschefs auf Vorschlag von Kommissionspräsident Romano Prodi Soforthilfe von 200 Millionen Euro. Damit soll der serbischen Bevölkerung über den Winter geholfen werden. Neben Heizöl werden auch Medikamente und Unterrichtsmaterialen finanziert. Serbiens neuer Präsident Vojislav Koštunica, der heute Mittag in Biarritz erwartet wird, dürfte vom Geist des Tagungsortes angetan sein.DANIELA WEINGÄRTNER
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