Fleisch und Ethik: Dürfen wir Tiere töten?

Oder: Wie die Philosophie den Unterschied zwischen Töten und Quälen macht.

Wird gerne ausgeblendet: Die Realtät im Schlachthaus Bild: dpa

Haben Tiere ein moralisches Recht auf Leben, das wir nicht verletzen dürfen? Ein solches Recht schreibt man gewöhnlich den Wesen zu, die sprechen, reflektieren und Pläne für ihr zukünftiges Leben entwerfen können. Das können die meisten Tiere nicht. Darum lehnt der Tierschützer und Philosoph Peter Singer nur das Töten solcher Tiere grundsätzlich ab, die Selbstbewusstsein und Zeitbewusstsein haben.

Wie die Naturforscher zeigen, gibt es das nur bei wenigen besonders hoch entwickelten Spezies, insbesondere bei Primaten und Delphinen. Doch ein lange zurückreichendes Gedächtnis und daher eine Art Zeitbewusstsein haben auch die Säugetiere und Vögel. Dann könnte man das Tötungsverbot auch auf sie ausdehnen. Ob das eine zwingende Überlegung ist, ist in der Moralphilosophie strittig. Aber es gibt einen gewissen motivationalen Widerspruch: Zu einer positiven Einstellung zu Tieren passt es nicht, wenn man sie tötet.

Sehr viel eindeutiger ist die Moralphilosophie beim „Leiden“. Dass man auf Tiere als leidensfähige Wesen Rücksicht nehmen muss, ist in unserer Alltagsmoral ebenso wie im Recht enthalten. Wenn man fragt, was überhaupt Moral ist, lautet die naheliegende Antwort: Moral besteht in altruistischem Verhalten, in der Rücksicht auf die anderen. Man darf anderen kein Leiden zufügen, nichts, was ihr Wohlbefinden verletzt oder gar unmöglich macht wie Schmerzen, Angst oder Freiheitsberaubung.

Dieses Grundprinzip versteht man seit der Aufklärung als universal: Wenn man nicht mehr an Vorurteile glaubt, mit denen man bestimmte Gruppen als minderwertig ausschließt, muss man es (wenn man konsequent ist), so weit ausdehnen, wie Wesen durch unser Handeln Leiden erfahren können. Einem Auto macht es nichts aus, wenn wir es treten, einem Hund schon. Descartes (1596 – 1650) hat angenommen, Tiere seien wie Automaten. Heute ist es durch die Ergebnisse der Biologie unabweisbar, dass die meisten Tiere leidensfähig sind.

Auch Tiere aus alternativer Haltung leiden

Es gibt zwar sehr einfache Tierarten, die kein Nervensystem haben, da mag Leidensfähigkeit nicht gegeben sein. Aber die Tiere, die wir in der Massentierhaltung und in Tierversuchen in großer Zahl quälen, sind fast alle hoch entwickelte Säugetiere und Vögel, an deren Leidensfähigkeit kein Zweifel ist. Auch wenn es gegen das Töten und Essen von Tieren keine eindeutigen moralischen Argumente gibt, muss man sich klarmachen, dass die Tiere davor in der industriellen Haltung ein leidvolles Leben haben.

Ist dann der Verzehr von Biofleisch moralisch unbedenklich? Auch Tiere aus alternativer Haltung leiden häufig beim Transport und auf dem Schlachthof. Moralisch akzeptabel wäre es, wenn diese Tiere ohne Angst und Schmerzen direkt auf dem Bauernhof getötet werden. In dem Maße, wie unser Wissen über die Lebensweisen der Tiere anwächst, wird auch die Sensibilisierung für ihre Leidensfähigkeit wachsen, und damit die Bereitschaft, ihnen mit moralischer Rücksicht zu begegnen.

Aber der Mensch ist nicht nur ein moralisches Wesen, sondern er strebt ebenso nach Genuss, Profit oder Macht. Und diese Orientierungen sind, wie wir wissen, bei vielen Menschen stärker als die Moral. Wenn man den Tierschutz voranbringen will, sollte man insbesondere schon Kinder für die Gefühle der Tiere sensibilisieren, aber auch in den Medien über das Schicksal der Tiere aufklären.

Ursula Wolf ist Professorin für Philiosophie an der Uni Mannheim und Deutschlands profilierteste Expertin für Tierethik.

Artikel erschienen in zeo2 Ausgabe 03/12

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