: Unbesiegt vom Sommer
Barfuß und entspannt: Seit k. d. lang in Kalifornien lebt, strahlt sie nur so vor Bioladenoptimismus. Doch den Anschein von Westküstenesoterik machte sie auf Konzerttour mit Schlagfertigkeit wett
von SUSANNE MESSMER
Wenigstens scheint in Kalifornien dauernd die Sonne. Das wird sich auch k. d. lang gedacht haben, als sie dort vor einigen Jahren ein Haus gekauft, eine neue Liebe gefunden und dann, nach langer kreativer Pause, ihr neues Album geschrieben hat. Nie zuvor hat es fröhlichere Musik von ihr gegeben. Auf „Invincible Summer“ singt k. d.lang von erfüllter Liebe, von Sonne, Strand und Meer, vom Surfen und von Hawaii und den Freuden von Pop und Hop. Vergessen die Zeiten, als sie noch mit coolem, ganz anderem Country um die Gunst von Nashville buhlte und einen Korb bekam und sich als überzeugte Vegetarierin mit den Rinderzüchtern ihrer Heimat Kanada anlegte. Vorbei die Zeiten, als sie stur gegen den Sexismus und die Homophobie der konservativen amerikanischen Radiostationen rebellierte, nach ihrem lesbischen Coming-out um ihren Marktwert kämpfen musste und mit Alaska im Herzen düstere Platten wie „Ingénue“ machte. Vorbei.
Wer mit einem so heiteren Album wie „Invincible Summer“ auf Tour geht wie k. d. lang dieser Tage, der würde sich unglaubwürdig machen, erschiene er in Lack und Strass, als wütende Dyke oder schönes Cowboygirl. Folglich kommt k. d. lang heute pur. Im Schlabberlook, barfuß, mit roten Bäckchen und etwas mehr auf den Rippen sowie einem entwaffnend strahlenden Lächeln betritt sie die Bühne, ganz in warmes Licht gehüllt. Entspannt schlendert sie über die Bühne und schlenkert mit den Armen und singt dazu mit weicher Stimme von ihrer Philosophie der Liebe und wie einfach doch alles sein kann. Dabei springt sie zu ihren Musikern und umarmt die Sängerinnen. Vom Saal erntet sie dafür Standing Ovations und überall einen Abglanz ihres Lächelns.
Das alles hat den Touch eines freundlichen Sit-ins und könnte auch stark in Westküstenesoterik oder hausbackenen Bioladenoptimismus umkippen, wären da nicht k. d. langs schlagfertige Einwürfe. Mal macht sie sich über eine Verletzung ihres Gitarristen lustig, der von der Reeperbahn geprügelt worden sein soll, ein andermal lästert sie über das Gefängnis des Country, aus dem ihr zweiter Gitarrist die Steel Guitar befreit habe. Oder sie kullert den Mikroständer etwas unbeholfen über die Bühne und erklärt ernst, das habe sie auf der Starschule gelernt. Und einmal lässt sie eine ihrer Background-Sängerinnen solo singen. Bei den ersten Tönen erkennt man das Lied wieder: Es ist jenes aus der alten Bacardi-Werbung.
Es sind diese feine Ironie, dieser Spott und Hohn, welche die Show ab und zu doch wieder in eine andere Richtung ziehen. Manchmal driften die Songs subversiv ab und der Schwulst der Steel Guitar oder das Schubidu der Sängerinnen wirken wie ein guter Witz. Dann schimmert wieder alles pathetisch, aber deshalb wird noch lang nicht alles gut – das Dunkle, das immer noch lauert, bringt sich in Erinnerung, als sie ein einziges ihrer traurigen Lieder von früher bringt. Es ist das wunderschöne „Crying“, das sie im Duett Duett mit Roy Orbison sang, kurz bevor dieser starb.
Als wollte sie auf Nummer sicher gehen, dass das alles nicht nur einfach gefalteter Mainstrem ist, geschieht am Ende doch noch etwas Unerwartetes: Zur ersten Zugabe springt Kathy Dawn Lang als etwas nachlässige, dafür aber atemberaubend zitronengelbe Drag-Queen ins Flutlicht. Das Big Hair ihrer Perücke ist so hoch aufgetürmt, dass es ziemlich nah an Gott sein muss. Die zahlreichen Lesben im Publikum jauchzen und frohlocken.
Ein schönes Zeichen: Es müssen sich einfach die Zeiten geändert haben, wenn Frauen sich wie Schwule anziehen, die sich wie Frauen anziehen.
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